Berlin Wolfsburg (German Edition)
Seine Freundlichkeit
war plötzlich wie weggeblasen … Ja, er hat mir Angst eingeflößt. Und nach
allem, was in so kurzer Zeit über mich hereingebrochen war, hielt ich es für
möglich, dass es nicht nur um diese Filme ging.«
Katryna schätzte, dass dieser Hinweis ein wichtiger Ansatz war, der
Samthof und Krass brennend interessieren dürfte. »Haben Sie mitbekommen, was
Muth in Jörgs Zimmer gemacht, was er an sich genommen hat?«
»Nein, ich habe unten in der Küche gewartet – unfähig, irgendetwas
zu unternehmen. Ich war wie gelähmt, verstehen Sie?«
Katryna nickte.
»Irgendwann, vielleicht nach einer Viertelstunde oder so, ging er
wieder«, fuhr Marie Rauth fort. »Ich konnte später auch nicht feststellen, ob
etwas fehlte. Da herrscht ohnehin eine ziemliche Unordnung. Ich komme einfach
nicht dazu …« Sie winkte ab und starrte einen Moment ins Leere. »Das Ganze
liegt jetzt ein paar Tage zurück, und fragen Sie mich bitte nicht, warum ich
mich nicht mit der Polizei in Verbindung gesetzt habe.«
Nein, dachte Katryna, auf die Frage kann ich verzichten. Dass die
Frau von unangenehmen Geschichten rund um ihren Mann und seinen Tod die Nase
voll hatte, konnte sie gut verstehen.
»Seitdem habe ich jedenfalls nichts mehr von Stefan Muth gehört, und
ich bin auch nicht scharf darauf, dem je wieder zu begegnen, um ehrlich zu
sein«, ergänzte Marie Rauth.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich nachher noch mal einen Blick
in das Zimmer werfen zu lassen?«, fragte Katryna.
»Wenn es wichtig ist.«
»Sonst würde ich Sie nicht damit behelligen. Danke für Ihr
Entgegenkommen. Noch etwas, Frau Rauth – Sie und Ihr Mann waren mit dem Ehepaar
Scheidner befreundet, nicht wahr?«
»Ja. Ich kannte Sahra von der Volkshochschule, wo wir beide
unterrichteten. Wir haben früher manchmal etwas zu viert unternommen, und Jörg
und Robert trafen sich hin und wieder auf ein Bier. Aber nach dem schrecklichen
Unglück …« Marie Rauth schluckte. »Sie wissen davon, nicht?«
»Ja«, erwiderte Katryna knapp.
»Ich kann Robert gut verstehen. Die beiden waren sehr glücklich –
sie hat ein Kind erwartet, auf das sie sich beide wie verrückt freuten«, fuhr
Marie mit schwerer Stimme fort. »Das war alles so fürchterlich und hat ihn sehr
verändert – mehr als er wohl zugeben möchte. Jedenfalls hat er sich danach
zurückgezogen. Aber als ich ihn an jenem Abend anrief, nachdem ich Jörg
gefunden hatte, war er trotzdem sofort zur Stelle und hat sich um mich und
meine Kinder gekümmert …« Sie brach ab und warf Katryna einen fragenden Blick
zu. »Aber was hat das alles mit Jörg zu tun?«
»Sahra Scheidner war eine aktive Muslima.«
»Ja, sie besuchte regelmäßig die Moschee und gab dort auch Kurse«,
erwiderte Marie Rauth erstaunt. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Hatte Ihr Mann ein Problem damit?«
»Was? Womit?«
»Hatte Ihr Mann etwas gegen muslimische Mitbürger?«, konkretisierte
Katryna ihre Frage.
Die Witwe öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Was sollen diese
Fragen eigentlich, Frau Kommissarin?«
»Bitte antworten Sie.«
Marie Rauth lehnte sich zurück und verschränkte die Hände
ineinander. »Mein Mann hat Sahra gemocht, außerdem war sie meine Kollegin und
Freundin.«
»Das beantwortet meine Frage nicht.« Oder vielleicht doch.
»Meine Güte, Jörg war kein Fan des Islam – wie so viele nicht! Ich
übrigens auch nicht, aber ich bin grundsätzlich kein religiöser Mensch und
bereits mit achtzehn aus der Kirche ausgetreten. Im Namen des Glaubens und der
Religion sind die allerscheußlichsten Verbrechen begangen worden!«, ereiferte
sie sich plötzlich. »Doch Sahra war eine gute Freundin und die Ehefrau eines
Freundes und Kollegen von Jörg. Ihre religiöse Überzeugung interessierte ihn
nicht und war kein Thema. Und jetzt sagen Sie mir bitte, was das alles mit
Jörgs Suizid und den neuen Ermittlungen zu tun hat!«
Katryna ließ die Empörung der Frau einige Sekunden auf sich wirken.
Dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, vorerst darf ich Ihnen
dazu noch keine Details sagen.«
Rauth atmete tief durch. Sie war bleich.
Eine Viertelstunde später verließ die Kommissarin das Haus der
Rauths. In Jörgs Zimmer war ihr nichts aufgefallen – wie schon am Abend des
Suizids nicht. Im Auto rief sie zunächst Samthof an, der ihrer Schilderung
gespannt lauschte.
»Wir werden Muth zunächst observieren und uns mit seinen Läden
befassen«, entschied er, als sie geendet
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