Berlin Wolfsburg (German Edition)
hatte. »Falls eine große Geschichte
dahintersteckt, warnen wir ihn nur mit vorschnellen Befragungen. Bitte setzen
Sie sich direkt mit Johanna Krass in Verbindung, um ihr zu berichten.«
»Wird erledigt.«
Zwei Minuten darauf hatte Katryna die BKA -Ermittlerin
am Telefon. Johanna Krass reagierte sichtlich beeindruckt. »Hochinteressant,
dass der Mann so forsch agiert«, kommentierte sie. »Was haben Sie als Nächstes
vor?«
»Ich treffe mich zu einem Gespräch mit Bernd Langes letzter
Freundin«, entgegnete Katryna. »Bei den Ermittlungen kurz nach Langes Tod hat
die Unterredung mit ihr nichts zutage gefördert – sie war schockiert wie alle.
Ich bin jedoch sehr gespannt, wie sie auf den Korruptionsvorwurf reagiert und
ob bei Lange auch eine Verbindung zu Stefan Muth nachgewiesen werden kann.«
»Die Einzelheiten zu Langes Ermittlungen im Fall von Sahra
Scheidners Vergewaltigung haben Sie vorliegen?«
»Ja. Ich war seinerzeit gar nicht in Berlin … Was für eine
widerliche Geschichte.«
»Unbedingt, aber bedenken Sie bitte, dass das interne Verfahren
damals eingestellt worden ist, und solange keine endgültigen Beweise vorliegen,
sollten Sie –«
»Schon klar. Ich bin vorsichtig mit meinen Behauptungen.«
»Gut. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.«
»Natürlich. Sagen Sie mal, haben Sie auch nur den Hauch einer
Ahnung, was all das mit den Suiziden zu tun hat?«
Johanna Krass gab ein kurzes Schnaufen von sich. »Wir dürfen wohl
festhalten, dass die Beamten einen gravierenden Fehler gemacht haben.«
***
Daniel Beuten hatte mit viel Mühe zwischen zwei Terminen
Zeit für einen Abstecher in die Polizeiinspektion eingeplant. So hatte er sich
ausgedrückt. Während Johanna in Marenis Büro auf Huhlmanns Lebensgefährten
wartete und Luca Mareni die Einsätze koordinierte, ließ sie das Telefonat mit
Katryna Nowak nachklingen.
Sie war unruhig und angespannt, was bei dem Ausmaß, das die Fälle
inzwischen annahmen, kein Wunder war. Aber da war noch etwas anderes. Jörg
Rauth, Sahra Scheidner, Stefan Muth, Huhlmann, Lange, Ansdorf, grübelte sie.
Wer kannte wen? Wie waren die Kontakte zustande gekommen? Wer hielt die Fäden
in der Hand? Ein Gedankenfetzen hatte sich losgelöst und ließ sie nicht zur
Ruhe kommen. Sie trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte, hielt plötzlich
inne und schlug sich vor den Kopf.
Als sie am Montag, noch in Berlin, mit Robert Scheidner telefoniert
hatte, weil sein Name in der Rauth-Akte auftauchte, war ihr nicht klar gewesen,
dass seine Frau Sahra eine Muslima war, an der ein gutes Jahr zuvor ein
scheußliches Verbrechen verübt worden war, und der Staatsanwalt, auf die
Freundschaft zwischen Marie Rauth und Sahra angesprochen, hatte lediglich erwähnt,
dass seine Gattin nicht mehr lebte. Die Hintergründe erfuhr Johanna jedoch erst
von Tony. Nicht ungewöhnlich, sollte man meinen, denn warum hätte der
Staatsanwalt über dieses traumatische Ereignis von sich aus lang und
ausschweifend sprechen sollen? Ganz einfach – weil Johanna Bernd Lange erwähnt
und routinemäßig gefragt hatte, ob Scheidner ihn kannte, was der verneint
hatte.
Sie hielt es für völlig ausgeschlossen, dass der Staatsanwalt den
Namen des seinerzeit im Vergewaltigungsfall seiner Frau leitend ermittelnden
Beamten nicht wusste oder sich nicht an ihn erinnerte – auch wenn er offiziell
nicht hatte tätig werden dürfen. Und natürlich war er darüber im Bilde gewesen,
dass es ein internes Verfahren gegeben hatte, unter Umständen hatte er selbst
es initiiert. Warum also log er?
Ganz einfach – weil er nicht darüber sprechen wollte, beantwortete
Johanna sich die Frage gleich selbst. Seine Frau hatte sich unter tragischen
Umständen das Leben genommen, sein Freund ebenfalls. Er verdrängte das
Geschehen – ein ganz natürlicher Reflex des Ausweichens. Dass noch etwas
anderes hinter Rauths und Langes Tod steckte, konnte er nicht wissen. Aber er
hätte zumindest erwidern können, dass Bernd Lange ein KDD -Beamter
war …
Ein höchstwahrscheinlich ganz und gar nebensächlicher Aspekt, dachte
Johanna, als es klopfte. Daniel Beuten trat ein, ohne die Aufforderung dazu
abzuwarten. Er hatte sich einen Kaffee mitgebracht und stellte ihn auf dem
Tisch ab, bevor er beiläufig grüßte, den Stuhl zurechtschob und sich setzte.
»Ich habe es wirklich eilig«, sagte er mit Blick auf die Uhr. Er
rückte seine Krawatte zurecht und sah die Kommissarin abwartend an. »Bitte
haben Sie Verständnis, dass
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