Berliner Aufklaerung - Roman
Tür von Nummer vierhundertfünf aufflog, und im Rahmen Kriminalhauptkommissar Glombitza erschien. Anja fand, daß er irgendwie nicht gut aussah.
»Was, Sie sind ja immer noch da?«
Rebecca zuckte mit der linken Schulter. »Ihr Kollege hier meint, ich stehe noch unter Arrest.«
»Jawohl, Herr Hauptkommissar, ich habe soeben die Entweichung der Arrestantin verhindert.«
Glombitza machte einige Schritte auf den Beamten zu, der mit stolzgeblähter Brust auf Rebecca und Anja zeigte. »Schulze, lassen Sie die beiden sofort verschwinden. «
Schulzes strahlender Schnäuzer sackte ein wenig nach unten. »Aber Herr Hauptkommissar, ich hatte keinen Befehl, beide gleich in Gewahrsam zu bringen.«
»Sie sollen sie nicht in Gewahrsam bringen, sondern sie laufen lassen!«
Glombitza drehte sich zu den beiden Frauen um. Seine Augen wurden zu Schlitzen, von denen man nicht wußte, ob sie der Müdigkeit oder der Abscheu geschuldet waren. »Frau Professor, Sie irren sich, wenn Sie glauben, daß die Angelegenheit für Sie hiermit beendet ist! Ich werde alles tun, um Sie zu überführen.«
»Dann bleibt mir nur, Ihnen viel Erfolg zu wünschen. « Rebecca schulterte ihre Tasche und machte sich – leicht hinkend – zusammen mit Anja auf den Weg in die Freiheit.
Im Erdgeschoß hatte der Pförtner seine Loge verlassen, stand in der Eingangstür und starrte Hektor an, der zwei Wannen höflich aber bestimmt die Ausfahrt verweigerte. Als Anja und Rebecca die Tür erreichten, trat der Pförtner einen Schritt zurück. »Saach’n Se, et jeht ma ja nüscht an, aber is dit wirklich Ihr Auto?«
Anja grinste. »Was dagegen?«
»Nee, wie käm’ ick denn dazu, aber det is so’n feiner Waach’n, ja un Sie, na ja – «
»Sie meinen, ich bin nich’ so fein?«
»So wollt’ ick dit jetz och nich’ jemeint ham.«
Der Pförtner kratzte sich einmal am Kopf, dann schlurfte er wieder in seine Klause.
Anja betätigte Hektors infrarot-ferngesteuerte Zentralverriegelung, hielt Rebecca die Beifahrertür auf und verschwand selbst auf der Fahrerseite. In alter Zuverlässigkeit sprang Hektor sofort an, und Anja gab Gas, denn aus einem der blockierten Einsatzwagen war soeben ein Beamter gesprungen. Sie ging davon aus, daß am heutigen Tage auch Rebecca auf weitere Diskussionen mit den Bullen keinen großen Wert mehr legte.
Schweigend bogen sie in die »Urania«.
»Hast du nach Vico gesehen?«
Die Ampel sprang auf Rot, und Anja trat in die Bremsen. »Entschuldige bitte, aber ich glaube, ich muß dich noch einmal daran erinnern, daß ich den ganzen Tag damit beschäftigt war, eine gewisse Frau Professor Rebecca Lux aus den Fängen der hiesigen Kriminalpolizei zu befreien. Ich hoffe, der Hund besagter Dame wird angesichts der Umstände verzeihen, daß es heute versäumt wurde, ihm seinen Haferbrei zu den gewohnten Zeiten zu verabreichen.«
»Ich mache mir doch nur Sorgen um Vico. Der Arme, es geht ihm seit einiger Zeit nicht gut.«
Die Ampel wurde grün, und Anja startete unsanft. Vor Überraschung machte Hektor einen kleinen Sprung, er war es nicht gewohnt, daß Anja ihren Unmut an ihm ausließ. Eine Weile fuhren sie schweigend durch die frühe Nacht. Während Anja stur auf die Fahrbahn starrte und sich sagte, daß man intelligible Wesen vielleicht doch besser in der Welt der Vorstellung beließ, spielte Rebecca an dem Silberknauf ihres Stockes herum. Die Fingerknöchel traten unter der ohnehin fast transparenten Haut noch weißer hervor. »Anja, du weißt, daß es nicht so gemeint war. Selbstverständlich bin ich dir dankbar für das, was du getan hast.«
Mit kurzem Blick in Rück- und Seitenspiegel setzte Anja zu einem etwas rücksichtslosen Überholmanöver an. »Ja, ja, schon gut.« Der BMW hinter ihr blendete auf.
Anja bog auf die Stadtautobahn, es war der schnellste Weg, um Rebeccas Domizil zu erreichen. Herbstregen trommelte leise auf Hektors Dach. Nach ungefähr fünfzehn Minuten anwachsenden Schweigens zeigten die beleuchteten blauen Schilder die Ausfahrt Wannsee an.
Sie erreichten Rebeccas kleine klassizistische Villa in der Zum-Löwen-Straße, und Anja stellte den Motor ab. »Willst du mir nicht vielleicht doch noch erzählen, was los ist? Es ist doch kein Zufall, daß du mich gestern ins Institut bestellt hast und heute verhaftet wirst. Nicht, daß ich glaube, du hättest Schreiner umgebracht, aber du wirst sicher zugeben, daß die Sache etwas merkwürdig aussieht.«
Rebecca blickte stumm durch die Windschutzscheibe. »Ich
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