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Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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er offensichtlich auch schon, da der süßliche Geruch seines Schaumbades in der Küche hing.
    Außer den trockenen Schrippen von gestern war
kein Brot aufzutreiben, dafür standen im Kühlschrank Reste von »Handkäs’ mit Musik«. Angeekelt blickte Anja auf die schmierigen Käsescheiben, die in einer fettigen Tunke aus Essig, Öl und Zwiebelstückchen schwammen. Es war ihr unbegreiflich, wie irgendein Mensch auf der Welt dieses widerlich stinkende Zeug freiwillig essen konnte. Der Käse, der im Kern gelblich war und nach außen ins Madenhaft-Weiße überging, erinnerte sie an ihre letzte Hühneraugenbehandlung. Die aufgequollenen Hautschichten unter dem Essigpflaster hatten auf sie ähnlich appetitanregend gewirkt. Anja klappte die Kühlschranktür wieder zu, nachdem sie die Butter vorsichtig um den Teller mit dem abstoßenden Inhalt herum- und aus dem Kühlschrank herausmanövriert hatte. Sie sollte den Untermietvertrag mit Ulf noch um eine Klausel hinsichtlich des Kühlschrankinhaltes erweitern.
    Mäßig begeistert begann Anja, auf einer trockenen Schrippe herumzukauen. Sie überlegte, was mit dem jungen Tag anzufangen sei.
    Solange sie nicht mit Rebecca gesprochen hatte, sollte sie auf jeden Fall zu Hause bleiben. Die Küchenuhr sagte ihr, daß es inzwischen zwölf Uhr siebenundzwanzig war.
    Anjas Blick fror an dem Telefon fest, das stumm neben dem Herd stand.
    Sie könnte sich Ulf schnappen und gemeinsam mit ihm schon lange fälligen häuslichen Tätigkeiten nachgehen. Wenn sie sich richtig erinnerte, war die Wohnung ungefähr im Januar das letzte Mal gesaugt worden, die letzte Naßreinigung lag wohl schon über ein Jahr zurück. Wahrscheinlich war es aber intelligenter, einen – zumindest partiellen – Wohnungsputz alleine
in Angriff zu nehmen. Erfahrungsgemäß störte Ulf bei solchen Dingen mehr, als er nützte.
    Anja krönte den kunstvoll errichteten Geschirrberg in der Spüle mit ihrer Kaffeetasse und beschloß, erst einmal an die Umverteilung des Geschirrs in das Regal zu gehen. Sie zog einige Besteckteile aus dem Berg, die an statisch unbedeutenden Stellen hervorragten. Das schweigende Telefon in ihrem Rücken bereitete ihr wachsendes Unbehagen. Sie legte zwei Messer und einen Löffel wieder in die Spüle zurück. Wenn Rebecca es nicht tat, dann mußte eben sie sich melden.
    Nach einigen Freizeichen ertönte am anderen Ende der Leitung der Anrufbeantworter. Etwas erstaunt hinterließ Anja die Nachricht, daß Rebecca sie doch anrufen solle, sobald sie wieder zurück sei.
    Bei näherer Betrachtung des Geschirrberges konnte Anja eine gewisse Ähnlichkeit ihres Vorhabens mit Herkules’ Säuberung des Augiasstalls nicht leugnen. Die unteren Schichten waren schätzungsweise über zwei Wochen alt, Tomatensauce und ähnliches würde sich nur noch mit Hammer und Meißel entfernen lassen. Den Topf mit den verbrannten Ravioli vom Montag warf sie lieber gleich in den Müll.
    Anja stapelte das Geschirr auf dem wackligen Holztischchen neben der Spüle, ließ Wasser in das Becken laufen und spritzte reichlich Spülmittel dazu. Sie begann verbissen zu schrubben, und nach kurzer Zeit hatte sich das Wasser in eine braun-rötliche Brühe verwandelt. Der Berg auf dem Tischchen schien eher zu wachsen denn abzunehmen. Vielleicht sollte sie die »Neue Nationalgalerie« anrufen und sagen, sie könnten bei ihr die bislang unbekannte Beuys-Installation »Blitzschlag ohne Lichtschein auf Küchentisch« abholen.

    Mißmutig warf Anja den Spülschwamm in die trübe Sauce und beschloß, erst einmal eine Zigarettenpause zu machen. Es war inzwischen dreizehn Uhr vier.
    Anja ging rauchend in der Küche auf und ab, wischte hier flüchtig mit dem Ärmel über ein verstaubtes Regalbrett, warf dort eine verfaulte Zwiebel in den Abfall.
    Gerade als sie wieder begonnen hatte, ihrer Spültätigkeit nachzugehen, klingelte das Telefon. Sie fuhr hoch und wäre beinahe in dem glitschigen Spülwasser ausgerutscht, das mittlerweile in großen Lachen auf dem Dielenfußboden stand.
    »Ja?«
    »Hallo, ich bin’s.«
    »Ach du, Susanna.«
    »Hey, was’ denn los? Besonders erfreut klingst du ja nicht gerade.«
    Als Theaterfrau hatte Susanna ein professionelles Gespür für gespielte Begeisterung.
    »Du, ich bin gerade dabei, unsere Wohnung wieder in einen menschenwürdigen Zustand zu bringen. Ich hänge bis über beide Ellenbogen in der Spülbrühe. Da würdest du auch nicht begeistert klingen.«
    »Is’ schon okay. Ich will dich auch nicht weiter

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