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Berliner Zimmer - Roman

Berliner Zimmer - Roman

Titel: Berliner Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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wollte sie mit einem Mal ihre bloßen Knie verdecken. Als sie den Kopf wieder hob, bemerkte ich die Trauer in ihren Augen, eine hilflose Ausgeliefertheit, und das ließ mich innehalten.
    Ich sah Alma an, hilfesuchend, aber sie zuckte nur mit den Achseln.
    Mama wunderte sich nicht, als Alma und ich bei ihr auftauchten. Wir hätten ja Vater im Krankenhaus abholen sollen, vielleicht glaubte sie, dass wir vorher auf einen Sprung bei ihr vorbeischauten. Der Zeitpunkt stimmte aber ganz und gar nicht, doch das fiel ihr nicht auf.
    Im Wohnzimmer nahm ich ihre Hände in meine.
    „Mama“, sagte ich.
    „Ja?“
    „Vater ist tot.“
    „Wer?“
    „Vater“, sagte ich. „Gregors Vater und meiner. Dein Mann. Er ist letzte Nacht gestorben.“
    „Mach doch keine Scherze“, sagte Mutter. Sie zog ihre Hände weg und wollte sich in die Küche davonmachen.
    „Bleib stehen, Mutter“, sagte ich leise.
    Das wirkte tatsächlich. Sie drehte sich um, blickte mich erstaunt an und wandte sich dann fragend zu Alma. Langsam schien sie zu begreifen. Und als Alma ihr dann wiederholte, was ich schon gesagt hatte, tappte sie mit kleinen Schritten zum Tisch, stützte ihre beiden Handflächen auf und verharrte.
    „Das geht doch nicht“, sagte sie schließlich und schüttelte energisch ihren kleinen Kopf.
    „Da hast du recht“, sagte ich.
    „Ich habe nicht einmal einen schwarzen Mantel“, sagte Mama.
    Sie machte sich große Sorgen um die richtige Garderobe für die Beerdigung und hörte nicht mehr auf davon zu reden, bis ich drauf und dran war, sie anzuschreien. Ich konnte nicht glauben, dass sie kein Wort mehr über Vater verlor, und noch weniger konnte ich glauben, dass das alles nur ihrer beginnenden Demenz zuzuschreiben war. Alma musste meinen aufkeimenden Zorn bemerkt haben, sie nahm ihre Großmutter in den Arm und zog sie von mir weg. Durch die offene Tür sah ich, wie sie vor dem Wäscheschrank standen, einzelne Stücke herauszogen und miteinander diskutierten. Zwischendurch warf Mama ein Teil auf den Boden und stieß es mit einem Fußtritt durchs Zimmer. Alma nickte fortwährend mit dem Kopf, es sah aus, als gäbe sie ihrer Großmutter in allem recht, nur um sie zu beruhigen.
    Ich fragte mich, ob wir Mama in dieser Situation wirklich allein lassen konnten, aber als sie mit Alma, der sie einen enormen Stapel an dunklen Röcken, Blusen und Strumpfhosen auf die Arme geladen hatte, zurückkam, nahm sie mir diese Entscheidung ab.
    „Ihr müsst jetzt gehen“, sagte sie und wedelte mit den Händen, „ich habe so viel zu tun. Ich werde Gerlinde anrufen und sie bitten, dass sie mir hilft.“
    Gerlinde war die frühere Putzfrau unserer Eltern, die sie entlassen hatten, als beide in den Ruhestand gegangen waren. Sie war im Laufe der Zeit so etwas wie eine Freundin meiner Mutter geworden, mit der sie ins Theater ging, ins Operncafé oder zu Weihnachten gemeinsam in die Kirche.
    Noch während wir durch den Garten gingen, flüsterte mir Alma zu: „Es ist doch, als hätte sie darauf gewartet. Sie ist perfekt organisiert. Auf jeden Fall ist sie besser vorbereitet als wir alle.“
    „Vielleicht hat sie mehr gewusst von Vaters Erkrankung“, sagte ich. „Oder geahnt. Man hat ja mit allem rechnen müssen.“
    Alma zuckte nur mit den Schultern.
    Dann fuhren wir nach Hause. Meine Tochter saß schweigsam neben mir und auch ich hatte keine große Lust zu reden. Die Gedanken schwirrten wirr durch meinen Kopf und ich wollte ihnen Zeit lassen, sich zu setzen. Vielleicht gelang es ihnen, wenn man sie nur in Ruhe ließ, dachte ich, sich eigenständig über eine bestimmte Ordnung und Hierarchie zu verständigen.
    Auf der Autobahn herrschte kaum Verkehr. Gewiss hielten sich alle längst zu Hause auf, vor dem Fernseher oder im selbstgebauten Weinkeller. Auch auf der Passstraße waren wir beinahe allein unterwegs, Alma und ich, und in den Kehren konnte ich den Wagen gefahrlos auf die Gegenfahrbahn ziehen, um den Kurvenradius zu verkürzen. Ich war mir sicher, dass uns niemand entgegenkommen würde.
    „Weißt du noch“, sagte Alma plötzlich in die Stille hinein, „wie sie Timmi überfahren haben, den schwarzen Labrador der Nachbarn? Weißt du noch, wie du mir sein plötzliches Verschwinden erklärt hast?“
    „Dass du dich daran noch erinnerst“, sagte ich.
    „Du hast gesagt, er sei einer Katze nachgejagt, hoch in den Kastanienbaum und dann weiter in den Himmel.“
    „Nein“, sagte ich.
    „Doch“, sagte Alma, „und ich war so dumm, es dir zu

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