Berndorf 07 - Trotzkis Narr
brauchen?«, fragt er. »Dann fahr ich mal«, sagt er, als kein Widerspruch kommt, und blickt zu Dingeldey. »Wie kommen Sie später nach Berlin zurück? Mit dem Zug, oder kann Finklin Sie fahren?« Selbstverständlich fahre er ihn, antwortet Finklin würdig, und Dingeldey ergänzt, dass sie am Nachmittag ohnehin noch einen Notar aufsuchen müssten, um die Erklärung an Eides statt zu hinterlegen. Berndorf hebt grüßend die Hand und verlässt das Zimmer.
Als er die Haustüre öffnet, erscheint auch schon die Hündin, wedelnd und mit erdverkrusteter Schnauze. Offenbar erwartet sie einen Spaziergang. »Tut mir leid«, sagt Berndorf, »geh zu deinen Mäusen, ich muss nach Berlin, da gibt es nur Asphalt und schlechtes Pflaster!« Im Gehen schaltet er sein Handy ein, und als er bei seinem Wagen ist, hört er auch schon das Signal, dass Kurzmitteilungen eingetroffen sind. Es sind zwei, die erste ist von 9.37 Uhr und lautet:
»Zp nimmt taxi zur charite. Sucht ambulanz auf.«
Die zweite Nachricht wurde um 10.47 Uhr gesendet:
»Zp verlässt ambulanz. Mit taxi zu lka. Bitte neue order.«
Berndorf ruft eine Kurzwahl auf. Es meldet sich Tamar. »Moment«, sagt sie. Im Hintergrund hört man Unterhaltung und das Klappern von Geschirr, eine Tür wird geöffnet, das Geschirrklappern wird von Fahrgeräuschen abgelöst. Dann hört Berndorf wieder die Stimme von Tamar: »Ich war gerade in einem Stehcafé.«
»Klar doch«, sagt Berndorf. Klar ist, dass sich Tamar nicht im unmittelbaren Umfeld des Landeskriminalamtes aufhält, also dort, wo sie von den Überwachungskameras erfasst würde. »Haben Sie den Laden im Blick?«
»Wenn Autos dort vorfahren, das kann ich sehen. Wenn zum Beispiel ein Taxi käme. Aber ich bin zu weit weg, um dann folgen zu können.«
»Das brächte auch nichts. Fahren Sie zu Paul Hintze, Sie wissen ja, wer das ist. Ich glaube nicht, dass er heute arbeitet. Vielleicht wird er Besuch bekommen.« Er gibt die Adresse durch, dann ist das Gespräch auch schon beendet, und er öffnet die Wagentür. Aber kaum ist sie auf, springt die Hündin hinein und setzt sich auf den Beifahrersitz, den Kopf selbstbewusst aufgerichtet. »Es geht wirklich nicht«, sagt er, geht um den Wagen herum und zieht die Beifahrertür auf. »Raus!« Die Hündin verharrt einen Augenblick, dann scheint sie zu begreifen, dass es Berndorf ernst meint, springt aus dem Wagen und läuft ein paar Schritte zur Seite, um so zu tun, als müsse sie jetzt ganz dringend einen Grasbüschel auf fremde Duftmarken untersuchen.
S ie waren also hinter dem Lutz Harlass her«, fasst Jörgass zusammen. »Und warum? Um ihm einen Orden zu überreichen?«
»Ach!«, gibt Kappolt zurück, »hören Sie doch auf mit Ihren Witzen, so komisch sind die nicht! Patzert hat gesagt, der Harlass, der sei fremdgesteuert. Den hätte man mit Absicht losgeschickt, damit er Scheiße baut, die dann der Kameradschaft angehängt wird.«
»Und deswegen wolltet ihr mit ihm reden?«, fragt Jörgass. »Ihm ein wenig auf die Finger klopfen? Und dann? Hätte er die Grillwurst werden sollen?«
»Dann hätten wir ihn Euch vor die Tür gelegt. Aber noch lebend. Und mit einem Zettel um den Hals, wo alles draufsteht.«
»Verstehe«, sagt Jörgass. »Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir: Nazi-Kameradschaft klärt Mordserie auf. Na fein. Schade nur, dass es schiefgegangen ist. Ist wohl doch nicht so einfach, selber Polizei zu spielen. Aber egal … Was mich jetzt aber mehr interessiert – woher wusste Patzert, dass Harlass in diesem Nest Crammenow zu finden ist?«
»Weiß ich nicht.« Kappolt beginnt wieder, mit der linken Hand das rechte Handgelenk zu massieren. »Der hat nie alles gesagt. Das muss er auch nicht.«
»Führer befiehl, wir folgen dir, wie?«
Kappolt hört auf, sich das Handgelenk zu massieren, und wirft Jörgass einen seltsamen Blick zu. »Ihnen vergeht das schon noch.«
»Was wird mir vergehen?«
»So zu reden. Der Patzert hat immer gewusst, was er gesagt hat. Oder meistens.« Plötzlich hebt Kappolt die rechte Hand und deutet auf Jörgass. »Der hatte seine Kanäle. Erstklassige Kanäle.« Er lässt seine Hand sinken und versucht ein kurzes Lächeln. »Dass man den Patzert umgebracht hat, damit hab ich nichts zu tun. Das wissen Sie auch ganz genau, denn an dem Abend war ich in Crammenow. Sie selber haben mir das doch vorgehalten, das mit den Leuten dort … Fragen Sie doch mal Ihre Kollegen, wer von denen den Patzert gekannt hat, gut gekannt.« Er lacht. »Bevor wir
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