Berndorf 07 - Trotzkis Narr
wohl! Die linken Zecken werden ihn umgebracht haben oder die Fidschis, aber so etwas ist euch von der Polizei doch schnurzegal.«
»Die linken Zecken?«, fragt Jörgass zurück und dreht sich um. »Wirklich? Oder hat da womöglich in Neukölln ein kleiner Röhm-Putsch stattgefunden? … Aber das werden Sie jetzt wieder nicht verstanden haben. Also von vorne: Sie sind der Herr Uwe Kappolt, der nach unseren Informationen einer Neuköllner Kameradschaft angehört … Was das für eine Kameradschaft ist, das muss ich jetzt nicht ausführen, da bleibe ich ganz höflich. Aber es hat ihr auch der Herr Detlef Patzert angehört, den man den Herrn Dolf Patzert zu nennen hatte. Ist das soweit richtig?«
»Und wenn? Was wäre daran verboten?«
»Auf Deutsch – Sie sind aus dem Verein nicht ausgetreten und gehören noch immer dazu«, sagt Jörgass, beugt sich über seinen Schreibtisch und trägt eine kurze Notiz ein. »Nun war der Dolf Patzert nicht einfach nur einer von euch Kameraden, sondern er war irgendwie euer Gruppenführer oder Stabschef, nicht wahr?« Er wartet, ob Widerspruch kommt, dann fährt er fort. »Kann es nun sein, dass irgendwer von euch gefunden hat, das könne er besser? Oder dass der Patzert ein bisschen zu fett geworden ist? Dass man ihn ein wenig eindampfen muss? Na?«
Wieder kommt keine Antwort. Kappolt steht noch immer, er hat jetzt die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick scheinbar gleichgültig auf Jörgass gerichtet. Der setzt sich und wendet sich wieder dem Computer zu. »Die deftigste von Ihren Vorstrafen haben Sie sich wegen einer vorsätzlichen Brandstiftung eingefangen. Das war dieser türkische Gemüseladen, nicht wahr? Sie haben da zwei Brandbomben reingeschmissen, zwei Mollies also … richtig?«
»Was soll ich dazu sagen? Sie glauben ja doch nur die Lügen in Ihrem Computer.«
»Sie wurden rechtskräftig verurteilt«, sagt Jörgass. »Aus dem Urteil geht hervor, dass Sie im Umgang mit Brandbomben erfahren sind. Sie wissen, was man reintun muss. Und was man als Zünder nimmt. Wie man ihn in die Flasche reinsteckt … all das wissen Sie, nicht wahr?« Er blickt zu Kappolt auf. »Wollen Sie sich nicht doch setzen? Ich möchte mit Ihnen nämlich ein wenig darüber plaudern, wie Patzert zu Tode gekommen ist. Sie werden lachen, aber das hat auch was mit Brandbomben zu tun …«
M aria hat Kaffee und Tee gebracht, auch wurde Finklins Arbeitszimmer zwischendurch gelüftet, Hexe macht sich daran, im Garten ein weitverzweigtes System von Maushöhlen auszuheben, und Dingeldey ist dabei, Finklins Geschichte in den Rahmen einer Erklärung an Eides statt zu bringen. Nur Berndorf hat eigentlich nichts zu tun und trinkt Tee.
»Haben Sie eine Vorstellung, wie viele dieser Gutachten Sie bis heute erstellt haben?«, fragt Dingeldey, aber Finklin wischt die Frage mit einer abwehrenden Handbewegung vom Tisch. »Das weiß ich wirklich nicht, ich hab das auch nirgends dokumentiert. Sobald das auf einer CD oder einem USB -Stick abgespeichert und weggeschickt war, habe ich den gesamten Text gelöscht.«
»Vorsicht«, meint Berndorf, der nun doch etwas sagen darf, »Fachleute können das rekonstruieren.«
»Wenn wir die Karten auf den Tisch legen wollen, müssen es alle sein«, setzt Dingeldey nach. »Am besten wäre es, wir hätten eine exakte zeitliche Rekonstruktion all dieser Arbeiten, samt ihrem ungefähren Inhalt. So dass die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft über verwertbares Beweismaterial verfügen.«
»Ob Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung verwertbares Beweismaterial bekommen oder nicht, das darf mir nun wirklich scheißegal sein, werter Genosse Professor! So wie ich diese Leute in Berlin kenne, würden sie dieses Beweismaterial nur gegen einen verwenden, nämlich gegen mich!«
»Sie haben ganz Recht«, sagt Dingeldey sanft, »Sie haben von diesen Leuten in Berlin, wie Sie sagen, nicht viel Gutes zu erwarten. Was werden Sie zum Beispiel tun, wenn behauptet wird, Sie seien nicht nur Helfer und Herbergsvater des Mörders Harlass gewesen, sondern dessen Auftraggeber? Anders gefragt: Was können Sie dann noch anderes tun, als die Fakten offenzulegen? Das wirkt aber nur, wenn es sofort geschieht.«
Finklin hat sich zurückgelehnt und sieht zum Garten hinaus. Seine Stirn ist gerunzelt, und Berndorf, der ihn beobachtet, ahnt das Heraufziehen eines fürchterlichen Wutausbruchs.
»Einen Augenblick!«, sagt er. »Es geht hier nicht nur um Beweismaterial. Nicht in erster Linie. Es geht
Weitere Kostenlose Bücher