Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Offenbar aber hat es da Vorbehalte gegeben. Man hat ihm nicht so recht getraut.«
»Da gibt es eine Vorgeschichte«, antwortet die Staatsanwältin und wendet sich an Karen. »Ich kenne diesen Harlass ein wenig. Vor drei oder vier Jahren ist er mit einem Totschläger auf einen Rabbiner losgegangen. Ich hab damals die Anklage vertreten.«
Keith hüstelt. »Da Sie das gerade ansprechen – ich denke, wir sollten Personenschutz für Sie anfordern.«
»Vor allem sollten Sie diesen Harlass finden«, kontert Dagmar Wohlfrom-Kühn nicht ohne Schärfe. »Dieser Mann ist in einem Auto unterwegs, das sich in einem sehr auffälligen Zustand befinden muss. Das kann doch nicht so schwer sein.«
Einer der Kriminalpolizisten nähert sich der Gruppe, hebt kurz die Hand und deutet auf Keith, offenbar hat er eine Nachricht für ihn: »Die Kollegen in Prenzlau haben Regulskis Wagen gefunden. Das Fahrzeug war auf einem Schulhof abgestellt, genauer: auf dem Lehrerparkplatz. Ein Loch in der Seitenscheibe, mit Pflaster zugeklebt. Dazu erhebliche Anhaftungen im Innenbereich des Wagens, mit bloßem Auge zu sehen.«
»Prenzlau?«, fragt die Staatsanwältin. »Da ist die polnische Grenze nicht mehr weit.«
K riminalhauptkommissar Wolfgang Keith hat sich die Tür aufschließen lassen, steht jetzt in der Mitte des Mansardenzimmers und sieht sich um. Eine Bettcouch, die Decke halb zurückgeschlagen, das Laken zerknüllt, so genau will Keith sich das gar nicht ansehen. Ein Tisch, darauf ein Notebook, ans Stromnetz angeschlossen, die grüne Anzeige signalisiert, dass der Akku aufgeladen ist. Zwei Stühle mit abgewetzter Polsterung, ein Fernsehsessel mit dem gleichen Polsterbezug wie die Stühle, ein Fernseher mit CD -Recorder, Musik-Kassetten von Gruppen wie VolksZorn, ein paar Filme aus der Ausleihe, der übliche Gewalt- und Pornoschrott. Ein elektrischer Heizstrahler. Keine Reichskriegsflagge, aber an der Wand das Poster eines dunkelhaarigen Mannes mit vorgestrecktem Kinn und wirrem Gesichtsausdruck.
»Wer soll denn das sein?«, will die Kriminalbeamtin Lena Quist wissen, die jetzt neben ihm steht und ihre Gummihandschuhe anzieht.
»Rudolf Hess, denk ich mal«, sagt Keith, hat aber keine Lust, das weiter zu erklären, sondern wendet sich an den Hausverwalter, der hinter ihnen wartet. »Wie hoch ist die Miete für so was?«
»Die Miete?«, fragt Hausverwalter Kroppenschmitt zurück. »Also die Miete – dreihundertfünfzig, Umlage inbegriffen, Sie müssen bedenken, das Appartement ist möbliert vermietet worden. Rechts sind noch Küche und Bad, wenn Sie sich überzeugen wollen.«
Lena Quist wirft einen Blick in die Kochnische – ein Herd mit zwei Platten und ein Spülbecken – und öffnet den kleinen Kühlschrank, in dem sich zwei Flaschen Bier befinden und ein paar angebrochene Packungen Käse und Wurst. Das Bad besteht aus Dusche und Klo, der Duschvorhang aus Plastik ist grünlich und von grauen Schmutzrändern überzogen. Sie öffnet den Deckel des Spülkastens, aber es ist nichts darin gebunkert. Auf dem gläsernen Bord über dem Waschbecken liegt neben der Seifenschale ein elektrischer Rasierapparat, ein halbvoller Flakon Rasierwasser steht neben einem Wasserglas, das von angetrockneten Resten Zahnpasta überzogen ist. In dem Glas ist eine abgenutzte Zahnbürste abgestellt.
Keith ist inzwischen zum Tisch im Mansardenzimmer gegangen und hat die Schublade aufgezogen. Ungeordnet liegen darin Kontoauszüge und andere Papiere, die Meldebestätigung des Rathauses Neukölln, die Entlassungspapiere der JVA Tegel, in einem Heftordner finden sich die Bescheide und Vorladungen des Jobcenters Berlin-Neukölln. Auf dem Kontostand vom letzten Monatsende ist ein Guthaben von 35 Euro ausgewiesen. Kein Notizbuch, keine handschriftlichen Notizen.
»Er hat die Miete pünktlich bezahlt?«
»Das ist über Dauerauftrag gelaufen«, meint Kroppenschmitt, »da war bisher nichts zu beanstanden.«
»Und sonst? Was ist sonst beanstandet worden?«
»Ach, nicht viel, manchmal laute Musik. Und dass der Herr Harlass ein bisschen ruppig im Auftreten ist. Aber versuchen Sie mal, einem deswegen zu kündigen!«
»Was war das für Musik? Nazimusik?«
Kroppenschmitt hebt abwehrend beide Hände. »Ich hör da nicht so genau hin, das führt zu nichts, wenn irgendwo türkische Musik läuft, wissen wir doch auch nicht, was da so gesungen wird …«
Keith will wissen, ob Harlass oft Besuch hatte, aber Kroppenschmitt hat nicht nur dieses eine Mietshaus zu verwalten.
Weitere Kostenlose Bücher