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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hält den Kopf leicht schief und pliert zu Berndorf. »Wie das herauskommt, nimmt der Vorsitzende Richter die Brille ab und schaut den Anwalt des Landes Berlin an und muss gar nichts weiter sagen, denn das Land Berlin und sein Vertreter machen keinen Mucks mehr, sondern zahlen postwendend, so dass für Hintzes Gläubiger noch eine ganz ordentliche Quote herausspringt …«
    »Und für die Hintzes?«
    »Was hätte für die herausspringen sollen? Die waren ruiniert. So ist das nun mal, wenn einer in Konkurs geht.«
    »Wissen Sie, was aus ihnen geworden ist?«
    »Guter Mann!«, sagt Lüdicke. »Ich bin Wirtschaftsanwalt. Ich habe keine Kompetenz als Sozialarbeiter.«
    »Die Ehefrau, die zugleich die Buchführung besorgt hat, die hieß Waltraud, Waltraud Hintze, nicht wahr?«
    Lüdicke hält noch immer den Krückstock zwischen den Beinen. Plötzlich ist ihm der Stock lästig, er versucht, sich gegen den Tisch zu lehnen, dann nimmt er ihn wieder in beide Hände und legt ihn sich über die Knie. »Warum haben Sie mich eigentlich aufgesucht?« Ein zorniger Blick trifft Berndorf. »Sie kennen die Geschichte doch bereits … Ich weiß, dass die Frau sich umgebracht hat. Aber auch als Seelsorger habe ich keine Kompetenz.«
    »Hat Hintze Ihnen gegenüber irgendwann einmal den Namen Giselher Marcks genannt?«
    Lüdicke dreht den Kopf ein wenig zur Seite. Aber auch so will sich keine Erinnerung einstellen. »Der Name sagt mir nichts. Aber dieser Fall liegt nun auch schon über zehn Jahre zurück. Warum hätte er den Namen nennen sollen?«
    »Er wird Ihnen doch sicher erklärt haben, warum er seiner Ansicht nach in diese Lage geraten ist. Er wird seine Vermutungen gehabt haben, warum sich das Land Berlin so verhält, und vielleicht, wer dabei Regie geführt hat …«
    »Guter Mann!« Lüdickes rechte Hand fährt hoch, die linke muss den Stock halten. »Es tut mir jetzt wirklich leid, das sagen zu müssen, aber offenkundig haben Sie keine Vorstellung davon, was bei einem Konkurs zu tun ist. Da sieht man sich die Zahlen an, erst einmal nur die Zahlen, und wenn man für etwas keine Zeit hat, dann sind es Vermutungen, und zweimal keine Zeit hat man für das, was so ein Pleite gegangener Unglücksvogel einem an Erklärungen und Mutmaßungen vorstottert … Da fällt mir ein, wo bleibt eigentlich Ihre Hälfte von diesem Zwanzig-Euro-Schein?«
    Berndorf sagt, was er zu sagen hat. Lüdicke hört zu, und danach herrscht eine Weile Schweigen. Aber nicht zu lange.
    »Also, lieber Herr …« – Lüdicke greift nach der Visitenkarte, die vor ihm liegt – »lieber Herr Berndorf! Das Wirkliche ist gern absurd. Oder das Absurde wirklich. Damit kann ich, damit müssen wir leben. Womit ich nicht leben kann, sind logische Widersprüche. Sehen Sie …«, etwas mühsam steht Lüdicke auf und beginnt, in seinem Arbeitszimmer auf und ab zu humpeln, »… dass die Herren aus der Bauverwaltung in einer Sauna-Runde auskungeln, wer welchen Auftrag zu welchen Konditionen bekommt, das klingt so blöd, dass ich es sofort glaube. Ich hätte zwar eher auf eine Kegelrunde getippt, aber egal! Sauna ist gut, da kann keiner dem andern was vormachen … Gut möglich ist auch, dass der unglückliche Hintze nachträglich einiges begriffen hat, der blieb ja im Beruf – jetzt fällt es mir wieder ein: Er wurde von einem der etablierten, einem der mit den Gebräuchen dieser Stadt vertrauten Unternehmen als Polier eingestellt, und da wird sich ihm dann schon mitgeteilt haben, was man tun muss, um einen städtischen Auftrag zu bekommen. Und zwar so, dass dann auch die Rechnungen bezahlt werden. Vielleicht hat er auch herausgefunden …« Der Krückstock schnellt kurz nach oben, um eine Einwendung zu unterstreichen. »… oder vielmehr geglaubt, herausgefunden zu haben, dass dieser Senatsangestellte der Drahtzieher von all dem war. Es liegt auf der Hand, dass solche Absprachen koordiniert werden müssen, irgendwer muss das tun, und am unauffälligsten und besten tut dies eine trübe Funzel, von dem jeder denkt, der ist so doof, dem kann man mit einem Hunderter vor der Nase wedeln, und er steckt ihn nicht ein … Aber!« Er bleibt in einigem Abstand von Berndorf stehen und zeigt anklagend mit dem Krückstock auf ihn. »Wenn Sie nun andeuten, dass dieser Senatsangestellte von dem Herrn Hintze abgemurkst worden ist, dann würde ich Ihnen auch das gerne glauben und dem Herrn Hintze gar nicht weiter übel nehmen. Nur – warum murkst er dann auch noch seinen eigenen Schwager

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