Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Erkläre mir also, warum ausgerechnet ich dir helfen soll.«
Harlass nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette, dann drückt er sie aus. »Das stimmt nicht, was du da gesagt hast. Ich bin hierhergekommen, weil …« Noch immer streicht er den Zigarettenstummel durch den Aschenbecher, als wolle er etwas ausradieren. »Ich wollte was wissen. Mich haben welche reingelegt … Und in diesem Buch da, oder was es ist, da stand vorne dein Name drin und die Adresse hier, und so hab ich gedacht, du weißt vielleicht, was da wirklich läuft.«
»Ach!«, macht Finklin. »Was wirklich läuft? Sieh einer an …«
A lso, dieser Hinweis aufs Westhavelland hat nichts gebracht«, stellt Staatsanwältin Dagmar Wohlfrom-Kühn fest. »Schade, es hatte sich gut angehört. Inzwischen aber haben wir Mittwoch.« Sie sagt das in einem noch immer freundlichen, aber doch auch eindringlichen Ton, als müsse sie es jemandem mitteilen, der soeben aus tiefer Bewusstlosigkeit oder einem langen Schlaf erwacht sei. »Seit Sonnabend suchen wir nach Harlass, und dabei hat sich die Suche sogar sehr ermutigend angelassen. Gewiss doch. Am Sonntag hat Harlass den Wagen Regulskis in Prenzlau abgestellt, ist dann aber eben nicht über die Grenze nach Polen gewechselt, sondern ist nach Potsdam gefahren, angeblich, um sich dort einen Rasierer zu kaufen. Seither aber ist er verschwunden, obwohl er am Montag nur noch einen Vorsprung von wenigen Stunden hatte. Ich kann mir nicht helfen … irgendetwas stimmt da nicht. Im Anschluss an unsere Besprechung werden wir, also Wolfgang Keith …« – sie nickt dem Leiter der Soko Jarygin zu, der neben ihr sitzt – »… und ich ein Interview mit der Landesschau Berlin haben, und ich weiß wirklich nicht, wie wir erklären wollen, dass wir Harlass noch immer nicht haben, obwohl wir bereits am Montag so dicht an ihm dran waren.«
»Das ist sicher unbefriedigend«, räumt Keith zögernd ein. »Allerdings müssen wir geradezu froh sein, dass Harlass sich nicht in diesem Crammenow aufgehalten hat.« Er wendet sich an Lena Quist, die ihm schräg gegenübersitzt. »Es war absolut unverantwortlich, eine Streife der örtlichen Polizei mit dieser Nachforschung zu beauftragen. Wenn es tatsächlich zu einer Begegnung mit Harlass gekommen wäre, hätten Sie jetzt womöglich den Tod von zwei weiteren Kollegen zu verantworten.«
Lena Quist hat sich sehr aufrecht hingesetzt. Ihr Gesicht ist blass geworden. »Ich habe die Kollegen nur gebeten, im örtlichen Bahnhof und im Umfeld davon nachzufragen.«
»Und außerdem, Keith, hättest du die Sache ja stoppen können«, meldet sich Ulrich Jörgass zu Wort. »Ich hab dir auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass sie da was herausgefunden hat.«
»Ich hab es leider nicht abhören können«, antwortet Keith. »Der Akku war leer. Trotzdem war die Anordnung falsch. Für jeden erkennbar falsch.«
»Darüber können Sie sich nachher noch auseinandersetzen«, schaltet sich die Staatsanwältin ein, die dem Gespräch mit leicht erhobenen Augenbrauen gefolgt ist. »Mich interessieren die Fragen, die sich aus dem Fehlschlag der bisherigen Fahndung ergeben.« Sie blickt zu Keith und dann zu den anderen Beamten. »Die ganze Zeit gehen wir davon aus, dass Harlass ein Einzeltäter ist, und stellen das auch so dar. Dass er also keine Helfer hat, auch niemanden, der ihm bei der Flucht behilflich ist, ja, mehr noch: er hat offenbar so wenig Unterstützung, dass er sich noch nicht einmal einen Rasierapparat ausleihen kann. Und doch kann er spurlos verschwinden und untertauchen. Harlass ist aber eine Berliner Großstadtpflanze, was tut so jemand irgendwo draußen in der brandenburgischen Pampa? Wie findet er sich dort zurecht? Das ist doch mit Händen zu greifen, dass da was nicht stimmt, womöglich war der Kauf des Rasierers ein Trick, um uns im Glauben zu bestärken, er stehe ganz alleine in der Welt … « Die Staatsanwältin unterbricht sich und nimmt nun ebenfalls Lena Quist ins Visier. »Was runzeln Sie die Stirn?«
»Der hat nicht nur einen Rasierer, sondern auch eine Zahnbürste und einen Schlafanzug gekauft«, kommt die Antwort. »Jedenfalls sagen das die Potsdamer Kollegen. Die Identifizierung sei eindeutig gewesen.«
»Und?«, fragt die Staatsanwältin nach. »Vielleicht wollte er ja genau das: dass man ihn dort später identifiziert. Und während er ausgewählt hat und sich hat beraten lassen und schließlich an die Kasse gegangen ist, da hat vielleicht draußen vor dem Hauptbahnhof
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