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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ab? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Hintze war’s nicht«, sagt Berndorf.
    D as Zimmer ist klein, und die Wände sind bis obenhin mit Bücherregalen zugestellt. Die spärlichen Möbel sind abgenutzt, aber PC und Drucker sehen neu aus. Die beiden Fenster sind von der Hecke draußen schon halb zugewachsen, außerdem beginnt es zu dämmern. Neben dem PC steht eine Teekanne auf einem Rechaud, wenn ein Windstoß gegen die Fenster drückt, zittert das Teelicht. Sonst brennt kein Licht. Der Tee ist dunkel und schmeckt ihm nicht. Vielleicht hätte er Zucker und Milch dazu nehmen sollen. Aber der Alte trinkt das Zeug ja auch so.
    Ab und an leuchtet die Glut der selbstgedrehten Zigarette auf, die Brutus Finklin im Mundwinkel hängt. Auch Harlass raucht, wortlos hatte ihm Finklin den Tabakbeutel und das Zigarettenpapier über den Tisch zugeschoben. Auch sonst war noch nicht viel gesprochen worden, seit die Polizei wieder abgezogen war, eigentlich überhaupt nichts. Als Maria an die Täfelung geklopft hatte und er aus dem Versteck gekrochen war, lagen Jeans und Unterwäsche gewaschen und gebügelt auf dem Bett, und auf einmal wurde auch die Tür nicht mehr von außen abgeschlossen. Und das Mittagessen gab es in der Wohnküche, ganz selbstverständlich, als hätte er dort schon immer zusammen mit der Maria und dem Alten gegessen, nur der Hund hat etwas gegen ihn und knurrt und zeigt die Lefzen, wenn er an seinem Korb vorbeikommt.
    Noch immer sagt Finklin kein Wort. Er nimmt die Zigarette aus dem Mundwinkel, schaut sie missbilligend an und drückt sie im Aschenbecher aus. Dann nimmt er einen Schluck Tee und blickt wieder hinaus in die Dämmerung.
    Irgendein Test ist das, sagt sich Harlass und schafft sich einen Tabakkrümel von der Unterlippe. Selbstgedrehte ohne Filter ist er nicht mehr gewohnt. Ein Test oder ein neuer hirnrissiger Versuch, einen weichzuklopfen. Mit mir nicht. So ein Großmeister ist das auch nicht. Das hätte heute Mittag auch anders laufen können. Finklin dreht sich eine neue Zigarette. Ganz ruhig tut er das, hat ja lang genug Zeit gehabt, es zu üben.
    »Das hätte heute Mittag auch anders laufen können«, sagt Harlass laut. »Wenn der Polizist die Zahnbürste gesehen hätte und den Rasierer und den nassen Waschlappen …«
    Finklin leckt das Zigarettenpapier an und klebt es zu. Durch seine Brille wirft er Harlass einen Blick zu, der gerade so viel sagt, dass er ihm immerhin zugehört hat.
    »Das wär für dich auch nicht so toll gewesen, oder?«
    Aus Finklins Benzinfeuerzeug züngelt eine bläuliche Flamme auf, die Selbstgedrehte fängt Glut, dann lehnt Finklin sich wieder zufrieden in seinen hölzernen Armstuhl zurück.
    »Da ist noch was«, fährt Harlass fort. »Der Polizist hat gesagt, bei dir wäre der am allerwenigsten zu finden … ich meine der, den er sucht …«
    »Der sucht kein Gespenst, sondern der sucht den Neonazi Lutz Harlass«, kommt plötzlich doch eine Antwort. »Also dich. Und warum man dich hier nicht erwartet, das kannst du dir ja selber denken. Von den Leuten mit einem Tattoo, wie du eines hast, bin ich kein direkter Fan. Wirklich nicht!« Er steht auf, geht suchend an den Bücherregalen vorbei und findet schließlich eine schon angestaubte Broschüre. »Hier … Leaderless Resistance … von Ulius Louis Amoss, das war ein US-amerikanischer Geheimdienstoffizier, Führerloser Widerstand – das ist die angesagte Handlungsanweisung für den nationalsozialistischen Einzelkämpfer, so was bist du doch oder willst du doch sein?« Er hält Harlass die Broschüre hin, der nimmt sie zögernd und blättert darin, die Fluppe im Mundwinkel, dann kommt ihm aber Rauch in die Augen, und er muss die Zigarette weglegen.
    »Nie von gehört?«
    Harlass zuckt die Achseln. Der Text ist in Englisch. »Ich weiß nicht, was das soll.« Er legt die Broschüre auf den Schreibtisch.
    »Ach so!«, sagt Finklin. »Du kannst das nicht lesen. Und schon blockst du ab.« Er setzt sich wieder hinter den Schreibtisch, schenkt sich eine neue Tasse Tee ein und blickt dann wieder zu Harlass. »Das war jetzt mein Fehler. Ich dachte, du hättest vielleicht mal eine deutsche Ausgabe in Händen gehabt. Dass es dir einer von deinem Verein zu lesen gegeben hat oder wo du sonst dein Weltbild her hast … Aber zur Sache! Du bist in einer Situation, in der du jemanden brauchst, der dir hilft. Der Einzige, der dafür erreichbar ist, bin leider ich. Nun bist du aber aus dem kühlen Grund hergekommen, mich zu liquidieren.

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