Berndorf 07 - Trotzkis Narr
ich, also ist er auch keiner von mir. Folgerichtig muss er mit denen zu tun haben, von denen du angeheuert worden bist. Moment – er muss dich gekannt haben, sonst wärst du nicht so nah an ihn herangekommen, das waren wir ja bereits durchgegangen. Also muss er selbst es gewesen sein, der dich rekrutiert hat. Der dir die Waffe besorgt hat. Aber irgendetwas ist dann schiefgelaufen. Vielleicht warst du mit dem Honorar nicht zufrieden, dem Honorar für die Sache vor dem Hallenbad. Oder es hat sonst einen Streit gegeben. Vielleicht hatte er was zu meckern. Das ist so Polizistenart. Vielleicht hat es auch zu viele Zeugen gegeben, und auf einmal bist du es gewesen, der liquidiert werden sollte. Oder …« Finklin hebt den Kopf und mustert Harlass aus zusammengekniffenen Augen – »… es war von Anfang an so gedacht, dass der Handlanger nach vollbrachtem Auftrag verschwinden muss … Was hast du?«
Harlass ist aufgestanden, aber da ist auch schon die Hündin bei ihm, mit gesträubtem Fell und hochgezogenen Lefzen, und lässt ihn keinen Schritt weiter gehen. »Lass gut sein, Hexe«, sagt Finklin, steht auf und geht zur Tür und öffnet sie. »Aus! Geh in die Küche!« Zögernd, ja widerstrebend wendet sich die Hündin von Harlass ab und schnürt aus dem Zimmer. Harlass sieht ihr nach, dann geht er ans Fenster und starrt in die Dämmerung hinaus.
»Haben wir es getroffen?«, fragt Finklin. »Regulski ist in aller Ruhe mit dir in den Wald gefahren, dorthin, wo die Sache abgemacht werden sollte, und hat den Wagen angehalten und als ordentlicher Polizist die Handbremse eingelegt und den Zündschlüssel abgezogen, immer mit der Ruhe, aber diese eine oder diese zwei Sekunden haben dir gereicht.«
Es war der Sicherheitsgurt, denkt Harlass und sagt noch immer nichts, sondern starrt hinaus oder hinüber zum nahen dunklen Wald, ohne etwas zu sehen.
»Glück für dich«, fährt Finklin fort. »Dein Pech, dass du keinem Gericht in diesem Land erzählen kannst, du hättest einen Polizisten in Notwehr erschossen. Eher noch wird der Papst wegen Gotteslästerung verurteilt, als dass sie dir das abkaufen.«
»Der hatte sogar Kartoffelsäcke dabei«, sagt Harlass mit leiser Stimme. »Und Backsteine.«
»Kartoffelsäcke?«, fragt Finklin zurück. »Backsteine?«
»Ja. In dem Wald hat es so ein Wasserloch. Da wollte er mich reintun.«
»Und du? Hättest du doch auch tun können?«
»Der war mir zu schwer«, antwortet Harlass. »Außerdem hatte ich keine Zeit. Da war das viele Blut im Auto. Das hab ich erst aufwischen müssen.«
A uf einem Hochsitz kann die Zeit ganz schön lang werden, denkt Patzert und muss sich schon wieder anders auf das schmale Brett setzen, das als Bank dient. Das Fernglas, das er sich aus dem Wagen geholt hat, ist ein Nachtsichtgerät, und das Haus des alten Spinners ist vielleicht in Luftlinie 200 Meter entfernt, viel günstiger kann er es eigentlich nicht haben. Aber das hilft alles nicht weiter, wenn sich in dem Haus nichts tut. Einmal kam eine Frau aus der Tür zum Garten und ging zum Komposthaufen, die Frau hatte was Handfestes an sich, das muss die Russin oder Polin gewesen sein, von der Kai gesprochen hatte.
Und sonst? Nichts. Irgendwann geht in einem der Zimmer ein Licht an, dann ein zweites, diesmal in dem Zimmer zum Garten, im Fernglas kann er sehen, dass das Licht von einer Schreibtischlampe kommt, aber von dem Mann, der hinter dem Schreibtisch sitzt, ist nicht viel mehr zu sehen als Handbewegungen, auf die sich Patzert zuerst keinen Reim machen kann. Schließlich fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Der Mann dort hinter seinem Schreibtisch redet, ziemlich pausenlos, und muss dazu heftig mit den Händen fuchteln, weil sein Gesprächspartner offenbar schwer von Begriff ist. Wer ist dieser Zuhörer? Die Frau? Kaum. Frauen lassen sich nicht so volllabern. Die quasseln zurück. Außerdem sah die Russin so aus, als wüsste sie, was sie zu tun hat. Und worüber sonst sollte der Alte mit ihr reden?
Unvermittelt hört der Alte mit dem Gestikulieren auf und fummelt an irgendetwas herum, an irgendeinem fusseligen Kleinkram. Was das ist, begreift Patzert erst, als sich der Alte eine Zigarette anzündet. Gleich darauf geht das Gefuchtel schon wieder los, Patzert lässt das Glas sinken und schaut nach unten, wo Uwe auf der zweituntersten Sprosse der Leiter zum Hochsitz hockt und auf seinem Nintendo an irgendeinem Killerspiel herumdrückt.
»Holst du mir mal ein Bier?«, ruft er hinunter. Aber Uwe
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