Berndorf, Jacques (Hrsg)
so plötzlich, dass die Kommissarin aufschaute. Er grinste säuerlich. »Ich bin so blöd, und du bist so schlau!«
Marek stellte das Motorrad direkt an der Bundesstraße ab. Da würde es jedem auffallen, aber das war jetzt egal. Er ging ein kurzes Stück durch den Wald, bis der Bahndamm vor ihm aus der Erde wuchs, hoch, steil, schwarz in der Nacht. Es regnete immer noch, und er rutschte ein paar Mal aus, als er hinaufkletterte. Einzelne Steine rollten unter seinen Füßen weg, schlugen mit hellem Klacken gegeneinander, fielen dann dumpf ins Gras und blieben endlich liegen. Oben war es so still, dass er Jenny wieder lachen hörte. Er weinte jetzt doch. Die Tränen liefen über sein Gesicht und verloren sich im Regen.
»Bingo!«, sagte Feldmann, als er das Gespräch weggedrückt hatte. »Euskirchen, Godesberger Straße 134.«
»Worauf warten wir?« fragte Meylage.
Aber als sie hinkamen, waren die Kollegen schon da, alles abgesperrt, die Spurensicherung voll im Gange. Es sah nicht nach einem Kampf aus, eher nach einer Flucht. Ein paar Möbel waren umgeworfen, und die Ehefrau stand unter Schock.
»Aber wir haben eine Personenbeschreibung«, sagte ein Uniformierter stolz. »Und sogar das Kennzeichen des Motorrads. Der kommt nicht weit!«
»Er hat ihm direkt an der Tür die Kehle durchgeschnitten.« Feldmann ließ sich auf den Fahrersitz fallen und das Kunstlederpolster ächzte. »Das Opfer ist ins Wohnzimmer zurückgelaufen, aber er hat weiter auf ihn eingestochen, in Kopf, Rücken und Brust.«
»Er hat sich nicht viel Mühe gegeben, unerkannt zu bleiben«, sagte Kommissarin Meylage misstrauisch, und die Worte hingen noch in der Luft, als über Funk die Meldung kam. Zwischen Dahlem und Jünkerath hatte der Nachtzug einen Mann überrollt, der auf den Gleisen stand. Meylage ließ den Kopf müde gegen das Seitenfenster sinken.
»Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Feldmann nach einer Weile.
Wer Wind sät ...
von Ralf Kramp
Mein Gott, was für eine Sauerei. Das leise Raspeln der Grillen, die Amseln pfeifen müde der untergehenden roten Sonne hinterher. Es ist das perfekte Abendidyll, und vor mir auf dem Feldweg liegt ein toter Mensch. Sein Hinterkopf ist nur noch ein einziger Klumpen Blut, so als habe jemand in einen Kirschkuchen gehauen.
Ich beuge mich hinunter und überlege, wo ich hinfassen kann, um nach dem Puls zu fühlen, ohne in das Blut hinein greifen zu müssen. Ist praktisch unmöglich.
In diesem Moment räuspert sich hinter mir jemand, und ich fahre herum.
Der Mann ist groß, fett, steckt in einer sandfarbenen Cordhose und einem blass karierten Hemd. Die eine Hand hat er in die Seite gestemmt, mit der anderen zieht er die Schirmmütze vom Kopf und wischt sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn. Das rötliche Licht der untergehenden Sonne lässt seine kurzen, weißen Haare aufleuchten wie ein brennendes Stoppelfeld. Erst jetzt bemerke ich, dass das Knattern des Treckers irgendwann aufgehört hat. Nur noch Grillen, Amseln und wieder ein trockenes Räuspern.
Ich stammele gleich los: »Ich habe einen Abendspaziergang gemacht, und als ich hier vorne um die Ecke ...«
»Scheiße. Daufenbach. Scheiße.«
Ich verstehe nicht.
Er geht mit schweren Schritten auf den am Boden liegenden Mann zu und tippt mit dem Fuß gegen das Hütchen, das neben dem liegt, was mal der Kopf gewesen ist.
»Die doofe Mütze. Daufenbach.« Ein orangefarbenes Frotteehütchen mit dem Aufdruck »Camel Trophy«.
Er steckt den Fuß unter den Körper und wirft ihn mit einem Ruck herum. Ein Arm saust durch die Luft und klatscht leblos ins dürre Gras. »Sag ich doch, Daufenbach.«
Ich brauche jetzt nicht mehr zu fühlen. Der ist tot, das sieht man.
Der Mann betrachtet nachdenklich den Knüppel gleich daneben. »Musste ja irgendwann passieren.« Er kramt umständlich ein Handy aus seiner viel zu engen Hose und tippt eine Nummer.
»Polizei?«, frage ich, während er auf die Verbindung wartet.
Er schüttelt den Kopf und blickt starr in das Gesicht des Toten. »Mauels Erwin.«
Dann lauter: »Erwin! Du musst herkommen! Daufenbach liegt hier. Tot.« Er beschreibt unseren Standort. »Klar, die aus Denster, wer sonst? Bröders vielleicht. Oder Hermes. Tschö.«
Dann fixiert er mich mit blutunterlaufenen Augen. »Sie sind fremd hier.«
Ich nicke zaghaft. »Ich mache Urlaub.«
»Hier?«
»Warum nicht? Land, Leute, alles wunderbar. Nur das hier ...« Ich mache eine vage Handbewegung in Richtung des Toten. »Ein
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