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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel
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Rücktritt an.
    Auf meinem Weg nach Ginsterfeld passiere ich ein Schild, das links in Richtung Denster weist. Ich zwinge mich zwar, weiter zu fahren, aber als dreihundert Meter weiter meine Neugier übermächtig wird, wende ich kurzerhand auf einem Feldweg und fahre zurück. Es sind nur drei Kilometer bis Denster. Kann ja nicht schaden.
    Eigentlich ist der Ort hübsch. Viel Fachwerk, viel Grün.
Unser Dorf soll schöner werden
- Sieger. Soso.
    Es stinkt nach Gülle. Nichts Ungewöhnliches eigentlich. Nur ein bisschen arg penetrant.
    Als ich weiter durch den Ort rolle, wird der Gestank stärker. Immer stärker.
    Ich habe gerade die Kirche passiert, als ich die vielen Menschen sehe. Der Gestank ist unerträglich. Die Leute laufen durcheinander, pressen sich Tücher vor Mund und Nase, hantieren mit Eimern, Schläuchen und Besen.
    »Hier können sie nicht durch!«, brüllt einer mit einem buschigen Schnurrbart wie aus Stahlwolle, der an beiden Seiten unten am Kinn endet.
    »Was ist denn los?«
    Er guckt auf mein Nummerschild, erkennt in mir den ahnungslosen Städter und kommt zum Fahrerfenster. »Der Dorfbrunnen ist voll Gülle gekippt worden. Heute Nacht. Der Brunnen, die Beete drum herum. Alles voll Gülle.«
    »Wer macht denn so was?«
    »Die aus Orft.«
    »Warum?«
    »Die sind gemeingefährlich.«
    »Soso.«
    »Der Brunnen ist ganz neu. Unser ganzer Stolz. Von der Familie Bröders gestiftet.«
    Der Name ist mir bekannt. Ich sage übermütig: »Wird Daufenbach gewesen sein.«
    Er hält die Luft an. Richtet sich auf. Die Augenbrauen wachsen zu einem schwarzen Balken zusammen, die Schnurrbartenden zittern wie unter Strom. »Daufenbach?«, brummt er drohend. »Was hast du mit Daufenbach zu schaffen, du ...«
    Ich lege den Rückwärtsgang ein.
    *   *   *
    Am Abend im Gasthof steht ein frisch gezapftes Pils für mich bereit. Mein Gastwirt freut sich, mir was Neues erzählen zu können.
    »Ich habe es von Willi Hermes aus Denster: Die Orfter haben den Dorfbrunnen in Denster voll mit ...«
    Ich winke ab. »Gülle, weiß ich schon.« Er guckt enttäuscht. Aber im nächsten Moment strahlt er schon wieder. Er senkt seine Stimme. »Aber noch was: Es darf keiner wissen. Die regeln das untereinander. Als sie die Gülle rausgeschöpft haben, haben sie den Bröders gefunden. Unten drin. Im Brunnen. Tot.«
    »In der Gülle?«
    »Fies, oder?«
    »Fies.« Ich trinke mein Bier in einem Zug aus. »Hier ist ja vielleicht was los.«
    Als er mir das nächste Pils zapft, erzähle ich ihm, was ich am Nachmittag erlebt habe: »Ich war ja jetzt unglaublich neugierig auf Orft, nach all dem, was sie mir gestern Abend erzählt haben. Also dachte ich, das guckst du dir mal an. Bin also hingefahren. Das heißt, ich wollte.«
    Kunstpause.
    »Und?«
    Ich lächle süffisant. »Lauter umgestürzte Bäume am Ortseingang. Man kam gar nicht ins Dorf rein. Quer über der Straße, riesige alte Fichten.«
    »Wahnsinn.«
    Ich nicke zustimmend. »Sauberer Schnitt. Alles ratzekahl ab. Mindestens zwanzig Stück.«
    »Dass das keiner gemerkt hat.«
    »Ging wohl alles ziemlich schnell. Einen von den Männern aus Denster haben sie wohl noch zu fassen gekriegt, wie mir so ein Einäugiger erzählt hat. Einen Hans-Joachim Dorsel.«
    »Dorsel? Das ist einer von den ganz Schlimmen. Der hat der Tochter vom Bauern Scholzen Zwillinge gemacht und hat sie zurück nach Orft geschickt.«
    »Das würde er jetzt wohl nicht mehr so ohne weiteres hinkriegen, wenn man dem Einäugigen Glauben schenken darf.«
    »Tot?«
    »Intensivstation.«
    Mein zweites Pils war fertig. »Der Einäugige ist Schmenglers Hannes. Sein linkes Auge hat der Förster von Denster auf dem Gewissen. Sieben Millimeter.
Pitschsch!
« Er schießt mit einer imaginären Waffe.
    »Dem fehlt aber das rechte Auge.«
    »Das rechte? Dann war’s Dr. Frischmuth. Ist vor zwanzig Jahren von Denster nach Orft gezogen. Daraufhin hat ihm die alte Pohlmann aus Denster bei seinem nächsten Hausbesuch eine Gabel ins Auge gestochen.«
    Ich habe gerade mein Glas an den Mund gesetzt, als die Sirene aufheult.
    Wir sehen uns an. Er nickt. »Aha. Es geht weiter.«
    *   *   *
    Am Frühstückstisch höre ich es schon in den Radionachrichten. In Denster ist das Gemeindehaus ein Raub der Flammen geworden. Ortsbürgermeister Hermes ist dabei gleich mitverbrannt. Und auch sein Hund, ein Golden Retriever.
    »Ein Lamm von einem Hund«, weiß mein Wirt zu berichten. »Kollateralschaden.«
    »Drei Tote«, murmele ich und köpfe

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