Berndorf, Jacques (Hrsg)
Abendspaziergang und plötzlich ...«
Der große, dicke Mann kommt näher, baut sich vor mir auf, guckt von oben auf mich herunter. »Jetzt passen sie mal gut auf. Gleich kommt Mauels Erwin, und er und ich, wir regeln das, klar?«
»Aber die Polizei ...«
»
Wir
regeln das!« Er packt mich an der Schulter. Gerade fest genug, um mich in eine bestimmte Richtung zu zwingen und gerade sanft genug, um es nicht nach Gewalt aussehen zu lassen. Ein paar Schritte weiter biegt er die Zweige auseinander. In der Ferne sehe ich ein Dorf. »Das ist Orft. Ich wohne in Orft und Mauels Erwin auch. Und Daufenbach hat auch in Orft gewohnt.« Dann wendet er sich um und schubst mich an einem dichten Weißdorngebüsch vorbei. In einer Lücke zwischen zwei Sträuchern erkenne ich ein weiteres Dorf.
»Denster«, brummt er, so verächtlich das geht. »Verdammtes Dreckspack.«
Er setzt die Mütze auf, die er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hat und beugt sich zu mir hinunter, bis sich unsere Nasen fast berühren. »Wir erledigen das. Sie bleiben hier. Ich hole nur meinen Trecker, kapiert?«
Ich nicke zaghaft und beobachtete ihn, wie er davon stapft. Wenige Augenblicke später knattert der Trecker wieder.
Später kommt Mauels Erwin, ein asthmatisches Männlein mit streichholzdünnen Armen. Fassungslos beobachtete ich, wie die beiden den Toten in eine schwarze Folie wickeln und in den Kofferraum von Mauels Peugeot werfen. Mauel hustet trocken.
»Wohin bringt ihr ihn?«, erlaube ich mir zu fragen.
»Weg«, sagt der Riese.
»Besser, sie wissen es nicht«, krächzt Mauel. »Wo wohnen sie?«
»Im Gasthof in Ginsterfeld.«
Die beiden Männer nicken sich zu. »Ginsterfeld, gut. In Denster wäre auch problematisch geworden«, sagt der Dicke. Mauel nickt. »Mmmmh, ja, ganz schön problematisch.« Er wiegt den blutverschmierten Knüppel in der Hand. Dann wirft er ihn ebenfalls in den Kofferraum. Von irgendwoher zaubert er drei Flaschen Bier hervor, und wir trinken.
»Nochmal«, sagt der Dicke. »Das geht nur uns was an. Sie machen hier Urlaub. Okay. Kann ruhig so weiterlaufen. Die Sache mit Daufenbach erledigen wir. Da brauchen wir keine Polizei, kapiert?«
Ich nicke eifrig. »Kapiert, kapiert.« In drei Tagen werde ich sowieso abreisen. Ich habe auch keine Lust, unnötige Bekanntschaft mit der Eifeler Polizei zu machen. Wir lassen unsere Bierflaschen zusammenklimpern.
* * *
Im Gasthof in Ginsterfeld quält mich die Neugier.
»Denster und Orft?« Der Wirt lässt die Augenbrauen in die Höhe tanzen. »Das ist eine uralte Fehde. Keine Kirmes ohne Prügelei, kein Maibaum, der länger als zwölf Stunden steht, kein Martinsfeuer, das nicht mindestens drei Tage vor Sankt Martin abgefackelt wird. Meine Fresse, was haben die sich schon beharkt.«
»Aber warum?«
Er zuckt mit den Schultern und wirft Geld in die Musikbox. Außer uns ist keiner da. Er wählt einen Titel, und das Geplärre geht los. »Uralte Geschichten. Vermurkste Flubereinigung, paar uneheliche Kinder. So Sachen eben.«
»Und ist schon mal einer dabei draufgegangen?«
»Schon mal ’n vergifteter Hund ab und zu. Vielleicht auch mal ne Kuh oder so.«
»Ne Kuh?«
»Die aus Denster machen immer Küheschubsen.«
»Und Menschen? Sind schon mal Menschen zu Tode gekommen?«
Der Wirt überlegt kurz. Andrea Berg greint dazu »Du warst der Wind in meinen Flügeln ...« Dann nickt er. »So in den Siebzigern, da ist der Walter Bronnen aus Orft nach der üblichen Karnevalsschlägerei mit ’nem Milzriss ins Krankenhaus gekommen und gestorben. Und als Viethens Hubert Pfingsten Vierundneunzig nachts auf dem Heimweg mit seinem Fahrrad von hier nach Denster überfahren worden ist, da haben auch gleich alle gewusst, dass das einer aus Orft war. Ab und zu verschwindet auch mal einer spurlos.«
»Verschwindet?«
»Kommt ja schon mal vor.«
Gäste kommen herein. »Können wir hier noch was essen?«
»Tut mir leid. Küche ist nur bis zehn auf.«
Es ist drei nach zehn.
Als sie wieder raus sind, dreht der Wirt sich erneut zu mir um. »Städter. Meinen, sie könnten hier den Larry raushängen lassen. Also ehrlich.«
Ich nicke zustimmend. »Also ehrlich.« Dann lasse ich mir weitere Geschichten von Orft und Denster erzählen.
* * *
Am Vormittag mache ich einen Ausflug nach Münstereifel und lasse mich mit einem Strom von Senioren durch die Hauptachse der alten Stadt von einem Café zum nächsten treiben. Hinterher zittere ich vor lauter Koffein und trete den
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