Berndorf, Jacques (Hrsg)
Jonas-See-Bestattung.
Erleichtert, von der Riesenlast befreit, die ihn seit seiner Kindheit niedergedrückt hatte, griff Max anschließend nach den Rudern, um den Kahn ans Ufer zurückzubringen.
»Warte«, sagte Salvatore, noch von der Anstrengung keuchend, während er mit einer Hand sein Herz massierte und mit der anderen das Messer im Wasser säuberte.
»Worauf?«
»Wir müssen zumindest ein paar Fische rausholen. Sonst fragt uns doch jeder, was wir hier draußen getrieben haben, die ganze Zeit!«
Die Vorstellung, über dem toten Rudi, an dessen Zehen vielleicht bereits der erste Hecht knabberte, zu fischen, gefiel Max nicht, aber er wusste, dass der Italiener Recht hatte. Sie durften sich nicht verdächtig machen! Verdrossen bestückte er seine Angel frisch.
Und schon bald biss tatsächlich sein erster Karpfen an! Kein Wunder, wo doch sein persönlicher Jonas unschädlich am Grunde des Sees ruhte! Und der zweite Biss bescherte Max gar einen enormen Hecht! Immer weiter beugte er sich vor, um dem Fisch besser zuzusehen, fasziniert von dessen wütendem Kampf gegen die Angel. Während Salvatore ein kurzes Gebet murmelte, eine besonders kräftige Ersatzschnur aus seiner Tasche holte und langsam aufstand ...
Max wollte den Hecht nicht verlieren, drehte sich anfangs nicht einmal um, als er die Schnur um seinen Hals spürte, aber dann ...!
Der erste kräftige Ruck ließ ihn taumeln. Die Angel entschwand mitsamt dem Hecht in den Tiefen des Maars. Voller Panik fasste Max mit beiden Händen nach der dünnen und doch so unendlich stabilen Kunststoffschnur, die sich unbarmherzig zuzog!
Als der leblose Körper langsam in die Tiefe glitt, hinab zu dem Kumpan seit Jugendtagen, sank Salvatore, aschgrau im Gesicht, auf das Sitzbrett zurück und schloss für einen Moment die Augen. Die Eifel war in Sicherheit, die Vulkane würden für die nächsten zehntausend Jahre schlafen können ...
Nie zuvor war ihm ein doppelter Jonas untergekommen wie im Fall dieser beiden Bayern, und er fühlte sich unendlich erschöpft. Das nächste Mal, dachte er, während der vertraute Schmerz seine Brust zusammenzupressen begann wie ein Ring aus feurigem Eisen, würde ein Jüngerer die Eifel retten müssen! Und er merkte kaum mehr, wie er langsam vornüber kippte, mit dem Gesicht hinein in die überraschten Würmer ... Während sich die säulenförmige Wolke im Hintergrund unter der Wärme der höher steigenden Sonne ganz allmählich in Nichts auflöste.
Abgefüllt
von Susanne Henke
Verdammte Idylle. Drei Jahre lang habe ich mir den Arsch in dieser Einöde aufgerissen. Lieblich dekoriert, für die Touristen herausgeputzt, Gartenzwergmentalität gepaart mit Größenwahn. Keine drei Monate hat Silvia es ausgehalten. Musste zurück in ihre Stadt, konnte nicht atmen in dieser Enge. Den alten Leutchen gefällt es um so besser. Verprassen meine Prämien. Da drüben, Frau Gerlach inmitten ihrer Freundinnen. Mit ihren weißen Fluffhaaren sehen sie aus wie ein Löwenzahnstrauß. Einmal pusten, und sie lösen sich in Luft auf. Wenn es doch nur so einfach wäre. Dieses Wasser ist einfach zu gesund. Typisch Rögner, dass er uns zum Auftakt des vierteljährlichen Motivationsmeetings an die Quelle geführt hat.
»Nehmen Sie sich ein Beispiel am Grafen Kreuzberg. Er hat den Kopf nicht in den Sand gesteckt, weil seine Reben vor sich hin kümmerten. Er ging der Sache auf den Grund und machte aus dem Wasser, das seinen Wein verdarb, eine Weltmarke!«
Danach ging es in die Abfüllanlage. Hunderte kleiner Flaschen ruckelten in Reih und Glied auf dem Band durch die Halle. Klack, klack, Deckel drauf. Nichts kann mehr entweichen. Hossa! Wir sind ein Team. Wer nicht recycelt werden kann, kommt auf den Müll.
Rögners fleischige Hand auf meinem Arm: »Ihre Bilanz ist bedenklich, alter Sportsfreund.«
Kundenbindung und solide Neuabschlüsse, das war gestern. Was zählt, ist die Gesamtquote. Sterbeversicherungen verkaufen sich wie warme Semmeln. Aber gestorben wird gefälligst vor Ablauf der Anwartzeit. Wer kurz vor Erreichen der Auszahlung seiner monatlichen Privatrente ins Gras beißt, bekommt auch einen schönen Kranz von der Versicherung – »Wir begleiten Sie durch jede Krise«.
Frau Gerlach und ihr Damenkränzchen brechen auf. Der Berg ruft zum Burgunderfest. Wie können sie nur so frisch aussehen? Mir ist, als hätte man mich mit lauwarmen Abwaschwasser übergossen. Viel zu heiß für den kräftigen Rotwein. Meine Löwenzahnladies verschmähen den Schutz
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