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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Bismarck an den Wänden das Flair eines exklusiven Herrenclubs hatte. Wir durchschritten eine Holztür, hoch wie ein Straßenbahnwagen, und kamen in ein großes, helles Büro, in dem zahlreiche Stenographinnen arbeiteten. Sie beachteten meine schmutzige Erscheinung überhaupt nicht. Ein junger SS-Hauptsturmführer kam hinter seinem gedrechselten Schreibtisch hervor und blickte mich desinteressiert an. «Wer ist das?» Eine der Wachen schlug die Hacken zusammen, nahm Haltung an und sagte dem Offizier, wer ich sei.
    «Hier warten », sagte der Hauptsturmführer und schritt zu einer glänzenden Mahagonitür auf der anderen Seite des Raumes, wo er anklopfte und wartete. Als er eine Antwort hörte, steckte er den Kopf durch die Tür und sagte etwas. Darauf drehte er sich um, machte den Wachen mit dem Kopf ein Zeichen, und sie schoben mich vorwärts.
    Es war ein geräumiges, elegantes Zimmer mit einer hohen Decke und teuren Ledermöbeln, und ich begriff, daß hier nicht die übliche Gestapo-Masche nach dem bekannten Drehbuch ablaufen würde, denn danach hätten die beiden ja mit Totschlägern und Schlagringen hantieren müssen. Jedenfalls jetzt noch nicht. Sie konnten es nicht riskieren, daß der Teppich beschmutzt wurde. Am anderen Ende des Zimmers waren eine Balkontür, ein paar Bücherregale und ein Tisch, hinter dem in bequemen Armsesseln zwei SS-Offiziere saßen. Sie waren hochgewachsene, schlanke, wohlgepflegte Männer mit hochnäsigem Lächeln, Haaren von der Farbe Tilsiter Käses und manierlichen Adamsäpfeln. Der größere der bei den sprach zuerst und schickte die Wachen und ihren Adjutanten aus dem Zimmer.
    «Herr Gunther. Bitte, nehmen Sie Platz.» Er deutete auf einen Stuhl vor dem Tisch. Ich warf einen Blick zurück, als die Tür sich schloß, und dann schlurfte ich nach vorn, die Hände in den Hosentaschen. Da sie mir die Schnürbänder und Hosenträger bei meiner Verhaftung weggenommen hatten, war das die einzige Möglichkeit, meine Hosen oben zu behalten.
    Ich war bisher noch keinen SS-Offizieren begegnet, und darum war ich mir nicht sicher, welchen Rang die bei den Männer, die mir gegenübersaßen, bekleideten; doch ich schätzte, daß der eine wahrscheinlich ein Oberst und der andere, der weitersprach, möglicherweise ein General war. Keiner der beiden war älter als fünfunddreißig.
    «Zigarette? » fragte der General. Er hielt mir ein Kästchen hin und warf mir Streichhölzer zu. Ich zündete eine Zigarette an und paffte dankbar.
    «Bitte bedienen Sie sich, wenn Sie noch eine wollen.» «Danke.»
    «Vielleicht möchten Sie auch was trinken? »
    «Zu einem Glas Champagner würde ich nicht nein sagen.» Sie lächelten beide gleichzeitig. Der zweite Offizier, der Oberst, brachte eine Flasche Schnaps zum Vorschein und füllte ein Glas.
    «Etwas so Vornehmes führen wir hier leider nicht», sagte er.
    «Dann nehme ich das, was Sie haben.» Der Oberst stand auf und brachte mir das Glas. Ich machte keine großen Umstände, kippte das Zeug runter, spülte meine Zähne damit und schluckte es mit jedem Muskel von Hals und Kehle. Ich spürte, wie die Wärme des Schnapses bis in meine Hühneraugen drang.
    «Sie geben ihm besser noch einen», sagte der General. «Er sieht so aus, als flatterten seine Nerven ein bißehen. » Ich hielt ihm mein Glas hin.
    «Meine Nerven sind ganz gut », sagte ich und streichelte
    mein Glas. «Ich trinke ganz einfach gern.» « Gehört zum Erscheinungsbild, wie? »
    « Und was wäre das für eins? »
    «Nun, das eines Privatdetektivs, natürlich. Sie wissen schon, der schäbige, kleine Mann in einem spärlich möblierten Büro, der trinkt wie ein Selbstmörder, der die Nerven verloren hat und der schönen, aber geheimnisvollen Frau in Schwarz zu Hilfe kommt.»

    «J emand von der SS vielleicht», schlug ich vor.
    Er lächelte. «Ob Sie's glauben oder nicht», sagte er, «aber ich habe ein Faible für Detektivgeschichten. Der Beruf muß interessant sein.» Er hatte ein ungewöhnlich geformtes Gesicht. Das hervorstechendste Merkmal war die vorstehende Habichtsnase, was zur Folge hatte, daß das schmale Kinn schwach ausgeprägt wirkte; über der dünnen Nase lagen glasige, blaue Augen, die ziemlich dicht beieinander und ein wenig schräg standen, was ihm einen Anflug von Weltverdrossenheit und Zynismus verlieh.
    «Ich bin sicher, daß Märchen viel interessanter sind.» «Aber gewiß nicht in Ihrem Fall. Insbesondere nicht in dem Fall, den Sie für die Germania-Lebensversicherung

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