Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
dafür, daß Herr Gunther täglich eine Abschrift erhält.»
«Ja, Exzellenz», sagte der Mann. Ich schrieb zwei Telefonnummern auf ein Stück Papier und gab ihm den Zettel. Dann stand Göring auf.
«Dies ist Ihr wichtigster Fall», sagte er und legte mir leicht die Hand auf die Schulter. Er brachte mich zur Tür. Rienacker folgte in kurzem Abstand. «Und wenn Sie erfolgreich sind, werden Sie feststellen, daß es mir an Großzügigkeit nicht mangelt.»
Und wenn ich nicht erfolgreich war? Für den Augenblick zog ich es vor, diese Möglichkeit zu vergessen.
12
Als ich in meine Wohnung zurückkehrte, war es fast hell. Das «Reinigungskommando » war auf den Straßen emsig damit beschäftigt, die nächtlichen Schmierereien der KPD zu entfernen - Rotfront wird siegen, Lang lebe Thälmann und Lang lebe TorgIer -, ehe ein neuer Tag für die Stadt anbrach.
Ich hatte nicht länger als zwei Stunden geschlafen, als das Geräusch von Sirenen und Trillerpfeifen mich grausam aus meinem friedlichen Schlummer riß: Luftschutzübung.
Ich vergrub meinen Kopf unter dem Kissen und versuchte zu überhören, daß der Luftschutzwart an meine Tür hämmerte. Doch ich wußte, daß ich später meine Abwesenheit würde begründen müssen. Hatte ich dann keine beweisbare Erklärung parat, mußte ich mit einer Geldstrafe rechnen.
Dreißig Minuten später, als die Trillerpfeifen verstummten und die Sirenen jaulend « Entwarnung» gaben, erschien es mir wenig sinnvoll, wieder zu Bett zu gehen. Also kaufte ich beim Milchmann von « Bolle» einen Extraliter Milch und machte mir ein riesiges Omelett.
Inge kam kurz nach neun in mein Büro. Ohne große Umstände nahm sie auf der anderen Seite meines Schreibtisches Platz und sah zu, wie ich rasch noch ein paar Notizen machte.
« Haben Sie Ihren Freund getroffen?» fragte ich dann. «Wir waren im Theater.»
«Ja? Was haben Sie gesehen?» Ich stellte fest, daß ich alles wissen wollte, selbst Einzelheiten, die mit dem möglichen Wissen dieses Mannes über Paul Pfarr nichts zu tun hatten. «Der Etappenhase. Es war ziemlich schwach, aber Otto schien es zu gefallen. Er wollte unbedingt die Karten bezahlen, also brauchte ich meine Kröten nicht.»
« Und was machten Sie anschließend? »
«Wir gingen in das Bierlokal Baarz. Ich hasse es. Ein richtiges Nazinest. Jeder stand auf und salutierte vor dem Radio, wenn es das Horst-Wessel-Lied oder das Deutschlandlied spielte. Ich mußte mitmachen, und ich hasse es zu grüßen. Ich komme mir dann immer vor, als winkte ich einem Taxi. Otto trank ziemlich viel und wurde sehr gesprächig. Um ehrlich zu sein, trank ich auch 'ne ganze Menge - ich fühl mich ein bißehen mies heute morgen.» Sie steckte sich eine Zigarette an. «Otto war jedenfalls flüchtig mit Pfarr bekannt. Er sagt, bei der DAF hätte man Pfarr ungefähr so gern gesehen wie ein Frettchen in einem Gummistiefel. Pfarr untersuchte Korruption und Schwindel in der Gewerkschaft. Seine Nachforschungen führten dazu, daß hintereinander zwei Kassenwarte der Transportarbeitergewerkschaft entlassen und ins KZ geschickt wurden; der Vorsitzende des Betriebsrates bei Ullstein in der Kochstraße wurde für schuldig befunden, Gelder entwendet zu haben, und wurde hingerichtet; Rolf Togotzes, der Kassierer der Metallarbeitergewerkschaft, wurde nach Dachau geschickt; und dazu noch viele andere. Wenn je ein Mann Feinde hatte, war es Paul Pfarr. Offenbar gab es in der Dienststelle eine Menge fröhlicher Gesichter, als bekannt wurde, daß Pfarr tot war.»
« Haben Sie eine Ahnung, woran er zur Zeit seines Todes arbeitete? »
«Nein. Offenbar arbeitete er mit verdeckten Karten. Er benutzte Informanten und sammelte Beweismaterial, bis er in der Lage war, offiziell Anklage zu erheben.»
«Hatte er dort Mitarbeiter? »
«Bloß eine Stenographin, ein Mädchen namens Marlene Sahm. Otto, mein Freund, wenn man ihn so nennen will, hatte ein Auge auf sie geworfen und ging ein paarmal mit ihr aus. Kam nicht viel dabei raus. Das ist sein Schicksal, fürchte ich. Aber er erinnerte sich trotzdem an ihre Adresse.» Inge öffnete ihre Handtasche und zog ein kleines Notizbuch zu Rate. «Nollendorfstraße 23. Sie wird vermutlich wissen, welcher Sache er auf der Spur war.»
«Hört sich ein bißchen so an, als wär er ein Frauenheld, Ihr Freund Otto.»
Inge lachte. «Das sagte Otto von Paul Pfarr. Er war ziemlich sicher, daß Pfarr seine Frau betrog und eine Geliebte hatte. Er sah ihn mehrere Male mit einer Frau im sei ben
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