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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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blinzelte schläfrig und rührte sich kaum, als sein Besitzer es am Kopf streichelte und an den Ohren zupfte. Er sah aus, als bewundere er sein eigenes Kind.
    «Da sehen Sie's», sagte er. «Er steht nicht im Schatten eines anderen. Und er hat keine Angst, seine Meinung zu sagen. Das ist die große Tugend der Unabhängigkeit. Es gibt auf der Welt keinen Grund, warum dieser Mann mir einen Dienst erweisen sollte. Er hat den Schneid, mich daran zu erinnern, während ein anderer Mann geschwiegen hätte. Einem solchen Mann kann ich trauen.»
    Ich deutete auf die Akte, die auf dem Tisch lag. «Ich möchte wetten, daß es Diels war, der das zusammengestellt hat.»
    « Und Sie hätten recht. Ich erbte diese Akte, Ihre Akte, zusammen mit vielen anderen, als er seine Stellung als Gestapochef an diesen kleinen Scheißkerl von Geflügelzüchter verlor. Es war der letzte große Dienst, den er mir erweisen sollte. »
    «Hätten Sie was dagegen, mir zu sagen, was aus ihm wurde?»
    «Nicht im geringsten. Er arbeitet noch immer für mich, wenngleich er eine niedrigere Stellung bekleidet. Er ist Verwalter der Binnenschiffahrt bei den Hermann-Göring-Werken in Köln.» Göring wiederholte seinen eigenen Namen ohne die kleinste Spur von Zögern oder Verlegenheit; er mußte es für die natürlichste Sache in der Welt halten, daß eine Fabrik seinen Namen trug.
    «Sie sehen », sagte er stolz, «ich sorge für die Leute, die mir einen Dienst erwiesen haben. Stimmt das, Rienacker?»
    Der große Mann schoß seine Antwort mit der Geschwindigkeit eines Tennisballes ab. «Ja, Exzellenz, das tun Sie ohne Zweife!.» In jeder Hinsicht, dachte ich, während ein Diener, der ein großes Tablett mit Kaffee, Mosel und «Eiern Benedikt » für Göring trug, den Raum betrat. Dieser langte zu, als hätte er den ganzen Tag nichts gegessen.
    «Ich bin nicht mehr Chef der Gestapo », sagte er, «aber in den Reihen der Sicherheitspolizei gibt es viele, wie Rienakker hier, die noch immer lieber mir die Treue halten als Himmler.»
    «Sehr viele », flötete Rienacker ergeben.

    « Sie halten mich darüber auf dem laufenden, was die Gestapo tut.» Er tupfte sich den großen Mund geziert mit einer Serviette ab. « Nun denn », sagte er. «Rienacker berichtet mir, daß Sie heute nachmittag in meiner Wohnung in der Derfflingerstraße aufgekreuzt seien. Es handelt sich, wie er Ihnen vielleicht bereits gesagt hat, um eine Wohnung, die ich einem Mann zur Verfügung gestellt habe, der in gewissen Angelegenheiten als mein vertraulicher Mittelsmann fungiert. Sein Name ist, wie Sie ja wohl wissen, Gerhard von Greis, und er ist seit über einer Woche verschwunden. Rienacker sagt, nach Ihrer Meinung sei es denkbar, daß jemand an ihn herangetreten sei, der ein gestohlenes Gemälde verkaufen wollte, einen Akt von Rubens, um genau zu sein. Was veranlaßte Sie, zu glauben, ein Besuch bei meinem Mittelsmann könne sich lohnen, und wie gelang es Ihnen, ihn unter dieser besonderen Adresse aufzuspüren? Ich kann's mir nicht erklären. Aber Sie machen mir Eindruck, Herr Gunther.»
    «Vielen Dank, Exzellenz.» Wer weiß, dachte ich, mit ein bißchen Übung könnte ich bald genauso säuseln wie Rienacker.
    «Ihre Laufbahn als Polizei beamter spricht für sich, und ich zweifle nicht, daß Sie als Privatdetektiv genauso tüchtig sind.» Er beendete seine Mahlzeit, stürzte ein Glas Mosel herunter und zündete sich eine dicke Zigarre an. Er zeigte, im Gegensatz zu seinen Begleitern und zu Rienacker, keine Zeichen von Müdigkeit, und ich begann mich zu fragen, was die rosa Pillen wohl enthielten. Er blies einen gewaltigen Rauchring.
    « Gunther, ich möchte Ihr Klient werden. Ich will, daß Sie Gerhard von Greis finden, am besten, bevor es die Sipo tut. Nicht, daß er irgendein Verbrechen begangen hätte, verstehen Sie mich recht. Es ist bloß so, daß er der Verwahrer gewisser vertraulicher Informationen ist und ich nicht wünsche, daß sie Himmler in die Hände fallen.»

    «Welcher Art sind diese vertraulichen Informationen, Herr Ministerpräsident? »
    «Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.»
    «Sehen Sie», erwiderte ich. «Wenn ich das Boot rudern soll, möchte ich gern wissen, ob es Lecks hat. Das ist der Unterschied zwischen mir und einem richtigen Polypen. Er hat nicht zu fragen, warum. Ich kann fragen, das ist das Privileg der Unabhängigkeit.»
    Göring nickte. «Ich bewundere Offenheit », sagte er. «Ich sage einfach nicht, daß ich etwas tun werde, ich mache es und mache

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