Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Fingern. «Ihren Hauptschlüssel, her damit.»
Mit emsigen, bereitwilligen Händen zog er ein kleines Schlüsselbund hervor und löste einen Schlüssel vom Ring. Ich schnappte ihn aus seinen zitternden Fingern.
«Sollte Herr Haupthändler zurückkommen, lassen Sie das Telefon in seiner Wohnung einmal klingeln, und dann legen Sie auf. Ist das klar? »
«Ja», sagte er, hörbar schluckend.
Haupthändlers Domizil war eine große, beeindruckende Zimmerflucht auf zwei Ebenen, mit Rundbögen und einem glänzenden Parkettboden, der mit dicken Orientteppichen belegt war. Alles sah so sauber und gepflegt aus, daß man den Eindruck gewinnen konnte, die Wohnung sei kaum bewohnt. Im Schlafzimmer stand ein großes Doppelbett, ein Toilettentisch und ein rundes Sitzpolster. Der Raum war in den Farben Pfirsich, Jadegrün und Grau gehalten, wobei die erste Farbe überwog. Mir gefiel's nicht. Auf jedem der beiden Betten lag ein geöffneter Koffer, auf dem Boden waren leere Einkaufstaschen verschiedener Warenhäuser, darunter C & A, Grünfeld, Gerson und Tietz, verstreut. Ich durchsuchte die Koffer. Der erste gehörte einer Frau, und was mich verblüffte, war die Tatsache, daß jedes Stück, das er enthielt, brandneu war oder zumindest so aussah. Einige Kleider trugen noch die Preisschilder, und selbst die Sohlen der Schuhe waren nicht abgenutzt. Dagegen enthielt der andere Koffer, der Haupthändler gehören mußte, außer einigen Toilettenartikeln nichts Neugekauftes. Ein Diamanthalsband war nicht zu finden. Doch auf dem Toilettentisch lag ein Heftchen, so groß wie eine Brieftasche, das zwei Flugscheine der Deutschen Lufthansa nach Croydon, London, einschließlich Rückflug, enthielt. Der Flug war für Montag abend auf die Namen Herr und Frau Teichmüller gebucht.
Bevor ich Haupthändlers Wohnung verließ, rief ich im Hotel Adlon an. Als Hermine sich meldete, dankte ich ihr für die Hilfe bei der Prinzessin-Muschmi-Geschichte. Ich konnte nicht feststellen, ob Görings Leute im Forschungsamt das Telefon bereits angezapft hatten. Es gab weder ein hörbares Klicken, noch hatte Hermines Stimme einen speziellen Widerhall. Doch ich wußte, daß ich, wenn sie Haupthändlers Telefon wirklich abhörten, später eine Abschrift meines Gesprächs mit Hermine erhalten mußte. Es war nicht die schlechteste Möglichkeit, herauszubekommen, wie es wirklich um die Kooperation des Ministerpräsidenten bestellt war.
Ich verließ Haupthändlers Wohnung und kehrte in das Erdgeschoß zurück. Der Hausmeister kam aus seinem Büro und nahm seinen Hauptschlüssel wieder in Besitz.
« Zu niemandem ein Wort darüber, daß ich hier war. Andernfalls könnte es böse für Sie enden. Ist das klar?» Er nickte stumm. Ich salutierte schneidig, etwas, was die Gestapo sich immer verkneift, denn sie zieht es vor, so unauffällig wie möglich zu arbeiten, doch ich trug um des Effektes willen so dick auf.
«Heil Hitler», sagte ich.
«Heil Hitler », sagte der Hausmeister, und als er den Gruß erwiderte, ließ er prompt die Schlüssel fallen.
«Wir haben Zeit bis Montag abend, um hinter diese Sache zu kommen », sagte ich und nahm an Inges Tisch Platz. Ich erzählte ihr von den Flugscheinen und den zwei Koffern. «Das komische dabei war, daß der Koffer der Frau nur neue Sachen enthielt. >}
«Ihr Herr Haupthändler scheint zu wissen, wie man für ein Mädchen sorgt.)}
«Alles war neu. Der Strumpfhalter, die Handtasche, die Schuhe. In dem ganzen Koffer war nicht ein Stück, das so aussah, als wär's schon mal getragen worden. Also, was folgern Sie daraus?»
Inge zuckte die Achseln. Sie war immer noch ein wenig sauer, weil ich sie nicht mitgenommen hatte. «Vielleicht hat er einen neuen Job und verkauft jetzt Frauenkleider an den Haustüren.»
Ich hob die Augenbrauen.
«Also schön», sagte sie. «Vielleicht hat diese Frau, die er mit nach London nimmt, keine hübschen Sachen.»
«Sieht eher so aus, als hätte sie überhaupt keine Kleider», sagte ich. «Ziemlich merkwürdige Art Frau, meinen Sie nicht? »
«Bernie, kommen Sie einfach mit mir nach Hause. Ich zeige Ihnen eine Frau ohne Kleider.»
Sekundenlang spielte ich mit diesem Gedanken. Doch ich sprach weiter: «Nein, ich bin davon überzeugt, daß Haupthändlers mysteriöse Freundin mit einer komplett neuen Garderobe, von Kopf bis Fuß, zu dieser Reise aufbricht. Wie eine Frau ohne Vergangenheit.»
«Oder », sagte Inge, «wie eine Frau, die von vorn anfängt.» Die Theorie nahm, während sie
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