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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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sagte Rienacker, und seine Stimme hörte sich nicht gerade fröhlich an. «Sie haben ... » Ich schnitt ihm mit einem schroffen «Wiederhören» das Wort ab und hängte ein.
    Ich ließ Inge die Autoschlüssel da und sagte ihr, sie solle mich heute nachmittag um halb fünf auf der Straße vor Haupthändlers Strandhaus treffen. Ich hatte die Absicht, mit einem der Sonderzüge der S-Bahn vom Bahnhof Zoo zum Reichssportfeld zu fahren. Aber zuerst machte ich ein paar besonders komplizierte Umwege zum Bahnhof, um sicherzugehen, daß ich nicht verfolgt wurde. Ich ging rasch die Königstraße hinauf und nahm die Straßenbahn Nummer 2 zum Spittelmarkt, wo ich zweimal um den SpindlerBrunnen herumschlenderte, bevor ich in die U-Bahn stieg. Ich fuhr eine Station bis zur Friedrichstraße, wo ich die U-Bahn verließ. Während der Geschäftszeit herrscht in der Friedrichstraße der dichteste Verkehr in Berlin, und die Luft schmeckt nach Bleistiftspänen. Ich wich Regenschirmen und Amerikanern aus, die sich über ihre Baedeker beugten, wurde um ein Haar von einem Rüdersdorfer PfefferminzLieferwagen überrollt und überquerte Tauberstraße und Jägerstraße, vorbei am Hotel Kaiserho( und dem Hauptbüro der Six-Stahlwerke. Ich eilte weiter in Richtung Unter den Linden, zwängte mich durch dichten Verkehr auf der Französischen Straße und tauchte an der Ecke Behrenstraße in die Kaiser-Passage. Das ist ein Bogengang mit te uren Geschäften, wie sie gern von Touristen frequentiert werden, und er mündet Unter den Linden in unmittelbarer Nähe des Hotels Westminster, wo viele Touristen wohnen. Wenn man zu Fuß ist, hat sich diese Passage immer als ein sehr günstiger Ort erwiesen, einen Verfolger endgültig abzuschütteln. Ich tauchte Unter den Linden wieder auf, überquerte die Straße und fuhr mit einem Taxi zum Bahnhof Zoo, wo ich den Sonderzug zum Reichssportfeld nahm.
    Das zwei Stockwerke hohe Stadion sah kleiner aus, als ich erwartet hatte, und ich fragte mich, ob die Menschenmenge, die sich in seinem Umkreis drängte, jemals hineinpassen würde. Erst nachdem ich selber drin war, erkannte ich, daß es innen tatsächlich größer war, als es von außen schien, weil die Kampfbahn einige Meter unter dem Bodenniveau lag.
    Ich nahm meinen Platz ein, dicht am Rande der Aschenbahn und neben einer gesetzten Dame, die lächelte und höflich nickte, als ich mich setzte. Der Platz zu meiner Rechten, vermutlich der von Marlene Sahm, war im Augenblick noch leer, obwohl es bereits nach zwei Uhr war. Als ich gerade auf meine Uhr blickte, öffnete der Himmel seine Schleusen, und der schlimmste Regenguß des Tages ging nieder; ich war mehr als froh, daß die Matrone ihren Regenschirm mit mir teilte. Für die war es ihre tägliche gute Tat. Sie deutete auf die Westseite des Stadions und reichte mir ein kleines Opernglas.
    «Dort wird der Führer sitzen», sagte sie. Ich dankte ihr für die Auskunft, und obwohl ich nicht im geringsten interessiert war, beäugte ich ein Podium, das zahlreiche Männer in Gehröcken, vermehrt um einen Trupp der allgegenwärtigen SS-Offiziere, bevölkerten, die alle genauso naß wurden wie ich. Inge wäre entzückt, dachte ich. Vom Führer selbst war nichts zu sehen.

    « Gestern kam er erst um fünf», erklärte die gesetzte Dame. « Freilich, bei einem so gräßlichen Wetter könnte man ihm schon verzeihen, wenn er überhaupt nicht käme.» Sie deutete auf meinen leeren Schoß. «Sie haben ja kein Programm. Möchten Sie gern wissen, welche Wettbewerbe stattfinden?» Ich sagte ja, stellte jedoch zu meinem Erstaunen fest, daß sie nicht die Absicht hatte, mir ihr Programm zu leihen, sondern es laut vorlas.
    «Die ersten Laufwettbewerbe am heutigen Nachmittag sind die Vorläufe über 400 Meter Hürden. Dann folgen die Halbfinalläufe und der Endlauf über 100 Meter. Wenn Sie mir gestatten, das zu sagen, ich glaube nicht, daß der Deutsche gegen diesen Neger, Owens, eine Chance hat. Ich habe den Amerikaner gestern laufen sehen, und er war wie eine Gazelle.» Ich war gerade im Begriff, eine unpatriotische Bemerkung über die sogenannte Herrenrasse vom Stapel zu lassen, als Marlene Sahm neben mir Platz nahm und mich dadurch vermutlich davor bewahrte, mir landesverräterisch den Mund zu verbrennen.
    «Danke, daß Sie gekommen sind, Herr Gunther. Und wegen gestern tut es mir leid. Es war unverschämt von mir. Sie versuchten nur zu helfen, nicht wahr? »
    «Gewiß.»
    «Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich immer

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