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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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sie und fand im kleineren der beiden Umschläge nur ein rechteckiges Stück Karton, eine Eintrittskarte für die heutigen olympischen Leichtathletikwettbewerbe. Ich drehte sie um und las, was auf die Rückseite geschrieben war: die Initialen «M. S.» und «14 Uhr». Der größere Umschlag trug das Siegel des Luftfahrtministeriums und enthielt eine Abschrift der Anrufe, die Haupthändler und Jeschonnek im Laufe des Sonnabends gemacht oder erhalten hatten: Abgesehen von dem einen Gespräch, das ich selbst von Haupthändlers Wohnung aus geführt hatte, war kein weiteres verzeichnet. Ich warf den Umschlag und seinen Inhalt in den Papierkorb, setzte mich hin und überlegte, ob Jeschonnek das Halsband bereits gekauft hatte und was ich wohl tun würde, wenn ich gezwungen war, Haupthändler heute abend zum Flughafen Tempelhof zu folgen. Andererseits: Wenn Haupthändler das Halsband bereits losgeschlagen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, daß er aus lauter Spaß an der Freude bis zum Montag abend mit dem Flug nach London warten würde. Es schien wahrscheinlicher, daß für das Geschäft ausländische Währung nötig war und Jeschonnek die Zeit gebraucht hatte, um das Geld aufzutreiben. Ich machte mir einen Kaffee und wartete darauf, daß Inge kam.
    Ich warf einen Blick aus dem Fenster, und weil ich sah, daß das Wetter trübe war, lächelte ich, als ich mir ihren Jubel über die Aussicht vorstellte, daß ein weiterer Regenschauer auf die Olympiade des Führers fallen würde. Leider würde auch ich jetzt naß werden.
    Wie hatte sie die Spiele genannt? «Die unverschämteste Hochstapelei der neueren Geschichte.» Ich suchte im Schrank nach meinem alten gummierten Regenmantel, als sie durch die Tür kam.
    «Gott, ich brauch 'ne Zigarette», sagte sie, warf ihre Handtasche auf einen Stuhl und bediente sich aus dem Kästchen auf meinem Schreibtisch. Sie blickte ein wenig belustigt auf meinen alten Mantel und sagte: «Hast du die Absicht, das Ding zu tragen? »
    «Ja. Die Muskeldame hat sich schließlich doch noch durchgerungen. In der Post war eine Eintrittskarte für die heutigen Spiele. Sie will, daß ich sie um zwei im Stadion treffe.»
    Inge blickte aus dem Fenster. «Du hast recht », sagte sie, «du wirst den Mantel brauchen. Es gießt wie aus Kübeln.» Sie setzte sich und legte die Füße auf den Tisch. «Nun, dann bleibe ich eben auf eigene Verantwortung hier und passe auf den Laden auf.»
    «Ich werde spätestens gegen vier Uhr zurück sein», sagte ich. «Dann müssen wir zum Flughafen.»
    Sie runzelte die Stirn. «0 ja, ich hab's vergessen. Haupthändler will ja heute abend nach London fliegen. Entschuldige, wenn ich so naiv frage, aber was genau willst du tun, wenn du dort ankommst? Wenn er und sein Partner, wer immer das ist, aufkreuzen, willst du dann einfach auf sie losmarschieren und sie fragen, wieviel sie für das Halsband bekommen haben? Vielleicht machen sie einfach, mitten im Getriebe von Tempelhof, ihre Koffer auf und lassen dich einen Blick auf ihr Kleingeld werfen.»
    «Nichts im wirklichen Leben verläuft je genau nach Plan.
    Es gibt nie einwandfreie kleine Hinweise, die es dir möglich machen, den Gauner rechtzeitig festzunageln.»
    «Das hört sich beinahe niedergeschlagen an», sagte sie. «Ich hatte einen Trumpf in der Hand, von dem ich glaubte, er würde die Sache etwas einfacher machen.»
    «Und der Trumpf hat nicht gestochen, ist es so?» «So ähnlich.»
    Das Geräusch von Schritten im Vorzimmer ließ mich abbrechen. Es klopfte an der Tür, und ein Motorradfahrer, ein Unteroffizier des NS-Fliegerkorps, trat ein, in der Hand einen ebensolchen großen braunen Umschlag, wie ich ihn vorhin in den Papierkorb befördert hatte. Er schlug die Hacken zusammen und fragte mich, ob ich Bernhard Gunther sei. Ich bejahte, nahm den Umschlag aus den behandschuhten Händen des Unteroffiziers entgegen und unterschrieb die Empfangsbestätigung. Dann hob er die Hand zum Hitlergruß und marschierte zackig wieder raus.
    Ich öffnete den Umschlag des Luftfahrtministeriums. Er enthielt mehrere mit Schreibmaschine geschriebene Blätter die Abschrift von Telefongesprächen, die Haupthändler und Jeschonnek gestern geführt hatten. Jeschonnek war von den beiden der emsigere gewesen. Der Diamantenhändler hatte mit verschiedenen Leuten über den illegalen Ankauf großer Mengen amerikanischer Dollars und britischer Pfunde verhandelt.
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