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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ein paar Minuten zu rück sein.» Er blickte sich im Raum um und deutete auf einen der anderen freien Billardtische. «Warum probieren Sie nicht ein paar Stöße, solange ich fort bin? »
    «Ich kann mit Spielen, die Geschicklichkeit erfordern, nicht viel anfangen», erwiderte ich. «Und ich mißtraue einem Spiel, das auf nichts anderem beruht als auf Glück. Auf diese Weise brauche ich mir nicht selber die Schuld zu ge ben, wenn ich verliere. Ich habe eine enorme Fähigkeit, mich selbst zu beschuldigen.»
    König zwinkerte mir zu. «Mein lieber Freund», sagte er und erhob sich vom Tisch, «Sie hören sich nicht gerade wie ein Deutscher an.»
    Ich sah ihm nach, als er nach hinten verschwand, um zu telefonieren, getreulich gefolgt von seinem Hund. Ich fragte mich, wen er wohl anrief. Der Mann, der besser dazu im stande war, die Qualität meiner Quelle zu beurteilen, konnte womöglich sogar Müller sein. Es erschien ein wenig zu früh, so viel zu erhoffen.
    Als König ein paar Minuten später zurückkam, schien er aufgeregt. «Wie ich mir gedacht habe ", sagte er und nickte begeistert, «es gibt jemanden, der begierig ist, dieses Mate rial sofort in Augenschein zu nehmen und Sie kennenzuler nen. Ich habe einen Wagen draußen. Gehen wir? »
    Königs Wagen war ein schwarzer Mercedes, wie der von Belinsky. Und wie Belinsky fuhr auch König erheblich schnel ler, als es die Sicherheit auf einer Straße erlaubte, auf die ein heftiger Morgenregen gefallen war. Ich sagte, es sei besser, spät als überhaupt nicht anzukommen, doch er nahm keine Notiz davon. Mein unbehagliches Gefühl wurde noch durch Königs Hund verschlimmert, der auf dem Schoß seines Herrn saß und die ganze Fahrt über aufgeregt die vor uns liegende Straße anbellte, als habe man dem Köter gesagt, wohin wir fuhren. Ich erkannte die Straße als die wieder, die zu den Grinzinger Filmstudios führte, doch im selben Augenblick gabelte sie sich, und wir bogen in die Grinzinger Allee ein.
    «Kennen Sie Grinzing?» überschrie König das unaufhör liche Gebell des Hundes. Ich verneinte. «Dann kennen Sie die Wien er nicht wirklich», hielt er mir entgegen. «Grinzing ist berühmt für seinen Weinbau. Im Sommer kommt alle Welt hierher, um eines der Wirtshäuser zu besuchen, in de nen der Heurige ausgeschenkt wird. Man trinkt zuviel, lauscht der Schrammelmusik und singt alte Lieder.»
    «Hört sich sehr gemütlich an», sagte ich ohne große Be geisterung.
    «Ja, das ist es. Ich besitze hier oben selber zwei Weingär ten. Bloß zwei kleine Felder, müssen Sie wissen. Aber es ist ein Anfang. Ein Mann muß etwas Land besitzen, meinen Sie nicht? Wir werden im Sommer wieder herkommen, und

    dann können Sie den neuen Wein selber kosten. Den Lebens saft Wiens.»
    Grinzing erschien kaum als eine Vorstadt von Wien, eher als ein reizendes kleines Dorf. Doch wegen seiner Nähe zur Hauptstadt wirkte sein anheimelnder, ländlicher Charme ir gendwie ebenso unecht wie eine der Filmkulissen, die man drüben im Sievering errichtete. Wir fuhren einen Hügel hinauf, einer schmalen gewundenen Gasse folgend, die zwi schen Heurigenlokalen und Bauerngärten verlief, und König erklärte mir, wie lieblich das alles jetzt im Frühling sei. Doch der Anblick von so viel Bilderbuch-Ländlichkeit diente bloß dazu, daß mein städtisch geprägtes Gemüt mit Verach tung reagierte, und ich beschränkte mich auf ein verdrosse nes Knurren und gemurmelte Bemerkungen über Touristen. Jemandem, der mehr an den dauernden Anblick von Schutt gewöhnt war, kam Grinzing mit seinen vielen Bäumen und Weingärten sehr grün vor. Ich verkniff mir jedoch eine Bemerkung über diesen Eindruck, denn ich fürchtete, das könnte König zu einem seiner verschrobenen kleinen Mono loge über diese krankmachende Farbe veranlassen.
    Er stoppte den Wagen vor einer hohen Mauer aus gelben Ziegeln, die ein großes, gelbgetünchtes Haus und einen Gar ten umschloß, der aussah, als habe er den ganzen Tag in einem Schönheitssalon zugebracht. Das Haus selbst war ein mächtiges, dreistöckiges Gebäude mit einem hohen Gauben dach. Abgesehen von ihrer hellen Farbe, war die Fassade von strenger Zurückhaltung, was dem Hause ein gewissermaßen amtliches Aussehen verlieh. Es sah aus wie eine ziemlich prächtige Art von Rathaus.
    Ich folgte König durch das Tor, einen makellos gesäumten Pfad hinauf zu einer schwer beschlagenen Eichentür, von der man den Eindruck hatte, man brauchte zum Anklopfen eine Streitaxt. Wir gingen

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