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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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einmischt. Würde man die Anklage gegen Sie jetzt fallenlassen, könnte die Org zu der Überzeu gung kommen, der Fall werde wieder aufgerollt.»
    « Was also kommt für mich dabei heraus, verdammt noch mal?»
    « Dieser amerikanische Agent, mit dem ich zusammenar beite, hat versprochen, Sie laufenzulassen, wenn wir an Ihrer Stelle Müller in den Knast bringen. Wir wollen versuchen, ihn aus seinem Versteck zu locken.»
    « Bis dahin werden sie also die Verhandlung laufenlassen, vielleicht sogar bis zum Urteil? »

    « Genauso ist es.»
    «Und Sie bitten mich, in der Zwischenzeit den Mund zu halten.»
    «Was können Sie schon sagen? Daß Linden möglicher weise von einem Mann ermordet wurde, der seit drei Jahren tot ist?»
    «Es ist bloß so ... », Becker schleuderte seine Zigarette in die Ecke, « ... so verdammt gefühllos.»
    «Nun nehmen Sie mal den Heiligenschein vom Kopf! Hö ren Sie, die Amis wissen, was Sie in Minsk gemacht haben. Mit Ihrem Leben ein Spielchen zu treiben ist etwas, wobei sie kein schlechtes Gefühl haben. Um ehrlich zu sein, es küm mert sie nicht besonders, ob Sie baumeln oder nicht. Dies ist Ihre einzige Chance, und das wissen Sie.»
    Becker nickte trübe. <    Ich stand auf, um zu gehen, doch ein plötzlicher Gedanke ließ mich vor der Tür stehenbleiben.
    «Was mich noch interessieren würde», sagte ich, «wieso hat man Sie aus dem Kriegsgefangenenlager eigentlich ent lassen? »
    « Sie waren selbst Gefangener. Sie wissen, wie es dort war.
    Immer die Angst, die könnten rauskriegen, daß man in der SS war.»
    «Darum frage ich ja.»
    Er zögerte einen Augenblick. Dann sagte er: «Es gab da einen Mann, der entlassen werden sollte. Er war sehr krank und hätte nicht mehr lange zu leben gehabt. Was hätte es für einen Sinn gehabt, ihn nach Hause zu schicken?» Er zuckte die Achseln und sah mir direkt in die Augen. «Also erwürgte ich ihn. Schluckte ein bißehen Kampfer, um selber krank zu werden - ging um ein Haar dabei drauf -, und nahm seinen Platz ein.» Er starrte mich an, dann wurde er verlegen. «Ich war verzweifelt, Berni. Sie wissen, wie es war.»
    «Ja, ich erinnere mich.» Ich versuchte meinen Abscheu zu verbergen, doch es gelang mir nicht. «Trotzdem, hätten Sie

    mir das früher erzählt, hätte man Sie meinetwegen hängen können.» Ich griff nach der Türklinke.
    « Es ist immer noch Zeit. Warum lassen Sie mich nicht fal len? »
    Hätte ich ihm die Wahrheit gesagt, Becker hätte nicht be griffen, wovon ich sprach. Wahrscheinlich hätte er geglaubt, Metaphysik sei eine Methode, um billiges Penicillin für den schwarzen Markt zu fabrizieren. Also schüttelte ich bloß den Kopf und sagte: « Sagen wir ganz einfach, daß ich mit jeman dem einen Handel vereinbart habe.»
    30
    Ich traf mich mit König im Care Sperl in der Gumpendorfer Straße, im französischen Sektor, aber nahe am Ring. Es war ein großer düsterer Raum, dessen zahlreiche Jugendstilspie gel an den Wänden nicht zu seiner Aufhellung beitrugen und der einige Billardtische aufwies. Jeder wurde von einer Lampe beleuchtet, die an einer gelben Decke mit einer Mes singapparatur befestigt war, die aussah, als stamme sie aus einem alten V-Boot.
    Königs Terrier saß ein kleines Stück von seinem Herrn ent fernt wie der Hund auf dem Schallplattenetikett und sah zu, wie König, allein, aber konzentriert, mit dem Queue han tierte. Ich bestellte einen Kaffee und näherte mich dem Tisch. Er taxierte sorgfältig seinen Stoß mit der Länge seines Queues, rieb dann dessen Spitze mit Kreide ein und nahm meine Anwesenheit mit einem kurzen Kopfnicken stumm zur Kenntnis.
    « Unser geliebter Mozart liebte dieses Spiel ungemein», sagte er und senkte seine Augen auf den Filz. « Zweifellos sah er darin eine sehr gen aue Nachbildung der sehr präzisen Dy namik seines Intellekts.» Er richtete sein Auge auf die Stoßkugel wie ein zielender Heckenschütze, und nach einer lan gen sorgfältigen Pause zog er die weiße Kugel an die eine, dann an die andere rote Kugel. Diese zweite rote Kugel rollte über die Länge des Tisches, zögerte unmerklich am Rand des Lochs und, ihrem spiritus rector ein kleines Murmeln der Be friedigung entlockend - denn es gibt keine anmutigere Of fenbarung der Gesetze von Schwerkraft und Bewegung -, schlüpfte geräuschlos hinein.
    «Ich, für meinen Teil, genieße dieses Spiel aus Gründen, die eher sinnlicher Natur sind. Ich liebe das Geräusch, wenn die Kugeln gegeneinanderstoßen, und

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