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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nur ein paar Häuserblocks davon entfernt.»
    Etwa eine Stunde später, nachdem ich meine Telegramme an Kirsten und an Neumann abgeschickt hatte, ging ich die Berggasse hinauf, die zwischen dem Polizeigefängnis, in dem Becker saß, und dem Krankenhaus verlief, in dem seine Freundin arbeitete. Dieser Zufall war ungewöhnlicher als die Straße selbst, in der größtenteils Ärzte und Zahnärzte zu wohnen schienen. Ich empfand es auch nicht als ungewöhn lich, von der alten Frau, der das Haus gehörte, in welchem Abs das Mezzanin bewohnt hatte, zu erfahren, daß er ihr vor nur wenigen Stunden mitgeteilt hatte, er müsse Wien endgül tig verlassen.
    «Er sagte, seine Arbeit mache es dringend notwendig, nach München überzusiedeln», erklärte sie in einem Ton, dem ich anmerkte, daß sie über seine plötzliche Abreise noch immer ein wenig verblüfft war. «Oder zumindest irgendwo in die Nähe von München. Er erwähnte den Namen, aber ich habe ihn leider vergessen.»
    «Es war nicht Pullach, oder? »
    Sie versuchte sich an einer nachdenklichen, es gelang ihr aber nur eine übellaunige Miene. «Ich weiß nicht, ob es Pul lach war oder nicht», sagte sie schließlich. Die düstere Miene verschwand, als sie zu ihrem normalen schwerfälligen Aus druck zurückkehrte. «Er sagte jedenfalls, er würde mich wis sen lassen, wenn er sich dort eingerichtet hätte.»
    «Hat er alle seine Sachen mitgenommen? »
    «Da war nicht viel mitzunehmen», sagte sie. «Bloß zwei Koffer. Die Wohnung ist möbliert, wissen Sie.» Ihr Gesicht wurde wieder düster. «Sind Sie Polizist oder so was? » «Nein, ich interessiere mich für seine Wohnung.»
    «Aber warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Herr ... ? » «Eigentlich Professor», sagte ich mit übertriebener Förmlichkeit, die ich für typisch wienerisch hielt. «Professor Kurtz.» Es bestand auch die Möglichkeit, daß ich, indem ich den Titel als Vorwand benutzte, die snobistische Ader dieser Frau ansprach. «Doktor Abs und ich sind mit einem Herrn König befreundet, der mir sagte, der Herr Doktor werde viel leicht in Kürze unter dieser Adresse eine vorzügliche Woh nung räumen.» Ich folgte der alten Frau durch die Tür in den geräumigen Korridor, der zu einer großen Glastür führte. Hinter der offenen Tür erstreckte sich ein großer Innenhof, in dem eine einzelne Platane stand. Wir stiegen die schmiede eiserne Treppe hinauf. «Ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine Vorsicht», sagte ich. «Ich war bloß nicht sicher, wie viel Glauben ich der Information meines Freundes schenken konnte. Er betonte ausdrücklich, es handle sich um eine aus gezeichnete Wohnung, und ich brauche Ihnen sicher nicht zu sagen, gnädige Frau, wie schwierig es für einen Herrn sein kann, in der heutigen Zeit eine erstklassige Wohnung zu fin den. Vielleicht kennen Sie Herrn König? »
    «Nein», sagte sie bestimmt. «Ich glaube nicht, daß ich je mals einem von Doktor Abs' Freunden begegnet bin. Er war ein sehr zurückhaltender Mann. Aber Ihr Freund ist gut in formiert. Sie könnten für vierhundert Schilling im Monat keine bessere Wohnung finden. Sie wohnen hier in einer sehr guten Gegend.» Vor der Wohnungstür senkte sie die Stimme. «Und vollkommen judenfrei.» Sie nahm einen Schlüssel aus der jackentasche und steckte ihn in das Schlüsselloch der Mahagonitür. «Natürlich gab's hier ein paar, vor dem An schluß. Sogar in diesem Haus. Aber bis zum Ausbruch des Krieges waren die meisten weggegangen.» Sie schloß die Tür auf und führte mich in die Wohnung.

    «Da wären wir», sagte sie stolz. «Insgesamt sind es sechs Zimmer. Die Wohnung ist nicht so groß wie einige andere in dieser Straße, aber andererseits auch nicht so teuer. Voll mö bliert, das sagte ich wohl schon.»
    « Wunderschön», sagte ich.
    «Leider hatte ich noch keine Zeit zum Saubermachen», sagte sie entschuldigend. «Doktor Abs hat eine Menge Ab fall hinterlassen, der beseitigt werden muß. Nicht daß mir das etwas ausmachen würde. Weil er nicht rechtzeitig gekün digt hatte, gab er mir statt dessen Geld für vier Wochen.» Sie deutete auf eine verschlossene Tür. «Da drin ist immer noch ein bißchen Bombenschaden zu sehen. Wir hatten im Hof eine Brandstiftung, als die Iwans kamen, aber der Schaden wird in Kürze behoben sein.»
    «Ich bin sicher, alles ist ausgezeichnet», sagte ich.
    «Also dann. Ich werde Sie jetzt allein lassen, damit Sie sich selbst ein bißchen umsehen können, Professor Kurtz, damit Sie einen

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