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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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antwortete, und ich mußte selber lachen. « Wenn du ein Spion bist, hast du Glück. Das ist der Beruf der Zukunft. Besonders wenn man in Wien ist. Mir brauchst du's ja nicht zu glauben. Einer von den Iwans hat's mir erzählt.»
    Immer noch vor mich hin lachend, drehte ich mich um und ging weiter. Ich kümmerte mich nicht darum, ob ich verfolgt wurde, als ich jedoch zur Mariahilfer Straße hinüberging und stehen blieb, um mir eine Zigarette anzuzünden, hörte ich Schritte.
    Wie jeder, der Wien kennt, Ihnen bestätigen könnte, war dies nicht der direkte Weg zurück zur Skodagasse. Ich sagte es mir sogar selbst. Aber ein Teil von mir, vermutlich jener, auf den Alkohol am stärksten wirkte, wollte genau wissen, wer mir folgte und warum.
    Der amerikanische Wachtposten, der vor der Stiftskaserne stand, hatte eine kalte Nacht. Er beobachtete mich aufmerk sam, als ich auf der anderen Seite der menschenleeren Straße vorbeiging, und ich überlegte mir, daß er vielleicht sogar in dem Mann, der mir folgte, einen Amerikaner und Mitarbei ter der Untersuchungsabteilung seiner eigenen Militärpolizei erkannte. Möglicherweise waren sie im selben Baseballteam oder welches Spiel es auch war, das die amerikanischen Sol daten spielten, wenn sie nicht gerade aßen oder hinter Frauen her waren. Weiter oben auf der ansteigenden, breiten Straße warf ich einen Blick nach links und erspähte durch eine Türöffnung einen schmalen, überdachten Gang, der über einige Treppenfluchten zu einer angrenzenden Straße hinabzuführen schien. Instinktiv huschte ich hinein. Wien mag ja nicht mit einem fabelhaften Nachtleben gesegnet sein, aber es war das ideale Gelände für einen Fußgänger. Ein Mann, der sich in den Straßen und Ruinen auskannte, dem diese praktischen Durchgänge im Gedächtnis waren, würde selbst dem entschlossensten Polizeikordon mehr Rätsel auf geben als Jean Valjean.
    Vor mir stieg eine andere Person, ohne daß ich sie sehen konnte, die Treppen hinunter, und in der Hoffnung, mein Verfolger werde die Schritte dieser Person für die meinen hal ten, drückte ich mich gegen eine Mauer und wartete in der Dunkelheit auf ihn. Nach weniger als einer Minute hörte ich das näher kommende Geräusch eines Mannes, der es eilig hatte. Dann verstummten die Schritte am oberen Ende des Ganges, als er stehen blieb und abzuschätzen versuchte, ob es ungefährlich war, mir zu folgen oder nicht. Als er die Schritte des anderen Mannes hörte, setzte er sich in Bewegung.
    Ich trat aus dem Schatten hervor und schlug ihn hart in den Magen - so hart, daß ich meinte, mich niederbeugen und meine Knöchel wieder einsammeln zu müssen - und wäh rend er keuchend auf den Stufen lag, zerrte ich den Mantel von seinen Schultern und zog ihn über seine Arme herunter, so daß er sich nicht bewegen konnte. Er trug keine Waffe, also fischte ich seine Brieftasche aus seiner Brusttasche und nahm den Personalausweis heraus.
    « Captain John Belinsky», las ich laut. « 4 3 0 United States CIe. Was ist das? Bist du einer von Mr. Shields Freunden?» Der Mann richtete sich langsam auf. « Geh zur Hölle, Kraut», sagte er gereizt.

    «Hast du den Befehl, mir zu folgen?» Ich warf ihm die Karte in den Schoß und durchsuchte die anderen Fächer sei ner Brieftasche. «Dann solltest du besser um einen anderen Auftrag bitten, Johnny. Du bist nicht besonders gut in diesem Job - ich habe schon Striptease-Tänzerinnen gesehen, die fie len weniger auf als du.» Es war nichts Interessantes in seiner Brieftasche: ein paar Dollars, ein paar Schilling, eine Ein trittskarte für das Ami-Kino, einige Briefmarken, eine Karte mit einer Zimmernummer des Hotel Sacher und das Foto eines hübschen Mädchens.
    « Bist du jetzt fertig damit?» sagte er auf deutsch. Ich warf ihm die Brieftasche hin.
    «Das ist ein hübsches Mädchen, das du da hast, Johnny », sagte ich. «Verfolgst du sie auch? Vielleicht sollte ich dir einen Schnappschuß von mir geben, mit meiner Adresse hin ten drauf. Macht es leichter für dich.»
    «Fick dich selbst, Kraut.»
    «Johnny», sagte ich und begann die Stufen zur Mariahil fer Straße hinaufzusteigen, «ich wette, das sagst du allen Mädchen.»
    15
    Pichier lag unter einem massiven Stück Stein wie ein urzeit licher Automechaniker, der eine neolithische Radachse re parierte, die Werkzeuge seines Gewerbes - Hammer und Meißel - fest in seiner staubigen, blutbefleckten Hand. Es schien so, als hätte er beim Gravieren des schwarzen Steins einen Augenblick

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