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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Größere?»
    <    «Das ist Mitzi.» Veronika wurde ein wenig kratzbürstig, als sie den Namen des anderen Mädchens nannte. «Vielleicht möchten Sie sich lieber mit ihnen unterhalten.» Sie nahm ihre Puderdose heraus und prüfte ihr Lippenrot in dem winzigen Spiegel. «Ich werde sowieso bald zurückerwartet. Meine Mutter wird sich sonst Sorgen machen.»
    «Es ist nicht nötig, mir das Rotkäppchen vorzuspielen», sagte ich. «Wir wissen beide, daß Ihre Mutter nichts dagegen hat, wenn Sie den Pfad verlassen und durch den Wald gehen. Und was die beiden Flittchen da drüben betrifft, ein Mann kann doch mal ins Schaufenster gucken, oder nicht? »
    «Sicher, aber es ist nicht nötig, daß er sich die Nase an der Scheibe plattdrückt. Jedenfalls nicht, wenn er mit mir zusam men ist.»
    «Es kommt mir so vor, Veronika», sagte ich, «als ob Sie sich keine große Mühe geben müßten, zu klingen wie eine verheiratete Frau. Offen gesagt, das ist es, was einen Mann in erster Linie an einen Ort wie diesen treibt.» Ich lächelte, bloß um sie wissen zu lassen, daß ich noch immer freundlich war. «Und dann kommen Sie daher mit dem Nudelholz in Ihrer Stimme. Nun, das könnte einen Mann geradewegs dahin zu rückbefördern, wo er war, als er durch die Tür ging.»
    Sie lächelte zurück. «Ich schätze, damit haben Sie recht», sagte sie.
    «Wissen Sie, es erstaunt mich, daß Sie neu in diesem Ge schäft sind.»
    «Du lieber Himmel », erwiderte sie und ihr Lächeln wurde bitter, «ist das nicht jeder? »
    Wäre ich nicht müde gewesen, hätte ich mich vielleicht länger in der Bar aufgehalten, wäre vielleicht sogar mit Vero nika nach Hause gegangen. Statt dessen gab ich ihr zum Dank für ihre Gesellschaft ein Päckchen Zigaretten und ver sprach ihr, am folgenden Abend wiederzukommen.
    Wollte man in Wien das Nachtleben genießen, schnitt die Stadt verglichen mit jeder anderen Metropole, vielleicht mit Ausnahme der versunkenen Stadt Atlantis, schlecht ab. Ich habe einen mottenzerfressenen Regenschirm gesehen, der länger geöffnet war als die Lokale in Wien. Bei einigen wei teren Drinks hatte mir Veronika erklärt, die Österreicher zö gen es vor, ihre Abende zu Hause zu verbringen, hätten sie je doch einmal beschlossen, die Nacht durchzufeiern, fingen sie traditionell früh damit an - gegen sechs oder sieben Uhr. So trottete ich denn bereits gegen halb elf durch eine menschen leere Straße zur Pension Caspian zurück, nur von meinem Schatten und dem Geräusch meiner halbbetrunkenen Schritte begleitet.
    Verglichen mit der verpesteten Atmosphäre Berlins, war die Wiener Luft so rein wie Vogelgesang. Doch es war eine kalte Nacht, so daß ich in meinem Mantel fröstelte und den Schritt beschleunigte, denn die Stille mißfiel mir, und ich er innerte mich an Doktor Liebls Warnung vor der russischen Vorliebe für nächtliche Entführungen.
    Andererseits war es aber gar nicht zu vermeiden, daß ich, als ich den Heldenplatz überquerte und in Richtung Volks garten und weiter über Ring und Josefstadt nach Hause strebte, an die Iwans dachte. Zwar war ich weit vom so wjetischen Sektor entfernt, doch es gab trotzdem reichlich Hinweise auf ihre Allgegenwart. Der Kaiserpalast der Habs burger war eines der vielen öffentlichen Gebäude in der international kontrollierten Stadt, die die Rote Armee mit Be schlag belegt hatte. Über dem Haupteingang prangte ein rie siger roter Stern und in dessen Mitte ein Bild Stalins im Profil, dem ein deutlich blasseres Leninbild gegenübergestellt war.
    Als ich am beschädigten Kunsthistorischen Museum vorbeikam, spürte ich, daß jemand hinter mir war, der sich zwi schen den Schatten und den Geröllhaufen herumdrückte. Ich blieb abrupt stehen, blickte mich um und sah nichts. Dann, etwa dreißig Meter entfernt, neben einer Statue, von der nur der Torso übrig war, der mich an etwas erinnerte, das ich ein mal in einem Leichenschauhaus gesehen hatte, hörte ich ein Geräusch und sah einen Augenblick später ein paar kleine Steine von einer hohen Geröllhalde herunterrollen.
    « Fühlst du dich ein bißchen einsam?» rief ich, denn ich hatte gerade genug getrunken, um mir nicht albern vorzu kommen, als ich eine so lächerliche Frage stellte. Meine Stimme widerhallte von der Seitenwand des zerstörten Mu seums. « Falls es das Museum ist, an dem du interessiert bist, wir haben geschlossen. Bomben, weißt du: schreckliche Dinger.» Niemand

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