Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Iwans, ein verrückter amerikani scher Staff-Sergeant, der auf einem Schloß bei Salzburg lebt, ein rumänischer Jude hier in Wien und ein Österreicher namens Kurtz. Aber Emil war der größte. Die meisten Leute haben den Namen Emil Becker gehört, wenn's um Zigaret ten geht.»
« Halten Sie es für möglich, daß einer von diesen Leuten Emil das angehängt hat, um einen Konkurrenten loszuwer den?»
« Sicher. Aber nicht um den Preis, alle diese Zigaretten ein zubüßen. Vierzig Kisten Zigaretten, Herr Gunther. Das ist ein schwerer Verlust, den jemand verkraften muß.»
«Wann genau wurde diese Tabakfabrik m der Thalia straße beraubt? »
«Vor ein paar Monaten.»
«Hatte die MP einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte? »
«Keine Chance. Die Thaliastraße ist im r6. Bezirk, Teil des französischen Sektors. Die französische MP könnte sich in dieser Stadt nicht mal einen Tripper fangen.»
«Was ist mit den hiesigen Bullen - die Wien er Polizei? » Rudi schüttelte entschieden den Kopf. «Die sind viel zu sehr damit beschäftigt, gegen die Staatspolizei zu kämpfen. Das Innenministerium hat versucht, die Staatsschnüffler in die reguläre Polizei einzugliedern, aber den Russen gefällt das nicht, und sie versuchen, die Sache zu versauern. Selbst wenn das bedeuten würde, daß die ganze Polizei kaputt geht.» Er grinste. «Ich kann nicht sagen, daß ich darüber traurig wäre. Nein, die hiesigen Bullen sind beinahe ebenso schlecht wie die Franzosen. Um ehrlich zu sein, die einzigen Bullen, die in dieser Stadt was taugen, sind die Amis. Selbst die Tommys sind ziemlich beschränkt, wenn Sie mich fra gen.»
Rudi blickte auf eine der zahlreichen Uhren, die er am Arm trug. «Hören Sie, ich muß gehen, sonst bekomme ich meinen Stammplatz bei Ressei nicht. Dort finden Sie mich jeden Morgen, wenn Sie mich brauchen, Herr Gunther. Dort oder im Cafe Hauswirth in der Favoritenstraße am Nachmittag.» Er leerte sein Glas. «Danke für den Schnaps.»
«Favoritenstraße », wiederholte ich nachdenklich. «Die ist im russischen Sektor, oder?»
«Richtig», sagte Rudi. «Aber das macht mich nicht zum Kommunisten.» Er lüftete seinen kleinen Hut und lächelte. «Es macht mich bloß vorsichtig.»
18
Ihr trauriger Gesichtsausdruck, die niedergeschlagenen Au gen und ihr schiefer, angeschwollener Kiefer, ganz zu schwei gen von ihrer billigen, abgetragenen Kleidung, ließen mich denken, daß ihr Leben als Prostituierte Veronika nicht viel eingebracht haben konnte. Und ganz gewiß gab es nichts in diesem kalten, ungemütlichen Zimmer, das sie mitten im Rotlichtbezirk der Stadt gemietet hatte, das auf etwas ande res hindeutete als auf ein mühsames Leben von der Hand in den Mund.
Sie dankte mir noch einmal für meine Hilfe und machte sich, nachdem sie sich besorgt nach meinen Wunden erkun digt hatte, daran, eine Kanne Tee zu kochen, wobei sie er klärte, sie habe vor, eines Tages eine Künstlerin zu werden. Ich betrachtete ihre Zeichnungen und Aquarelle ohne großes Vergnügen. Von der düsteren Umgebung zutiefst bedrückt, fragte ich sie, wie es gekommen sei, daß sie auf dem Strich gelandet sei. Das war dumm von mir, weil es nichts bringt, eine Hure anzugreifen, am allerwenigsten, ihr Moral zu pre digen, und meine einzige Entschuldigung war, daß sie mir wirklich leid tat. Hatte sie einen Ehemann gehabt, der gese hen hatte, wie sie einem Ami in einer Hausruine für ein paar Riegel Schokolade einen blies?
«Wer hat gesagt, ich ginge auf den Strich?» fragte sie scharf zurück.
Ich zuckte die Achseln. «Es ist nicht der Kaffee, der Sie die halbe Nacht auf den Beinen hält.»
«Vielleicht ist es so. Trotzdem, Sie werden mich nicht in einer dieser Absteigen auf dem Gürtel finden, wo man für die Nummer einfach die Treppe raufgeht. Und ich arbeite auch nicht auf der Straße vor dem Amerikanischen Informations büro oder dem Hotel Atlantis. Vielleicht bin ich ein Flitt chen, aber ich bin keine Nutte. Ich muß den Herrn mögen.»
«Das wird Sie nicht davor bewahren, verletzt zu werden.
Letzte Nacht, zum Beispiel. Von Geschlechtskrankheiten ganz zu schweigen.»
«Sie müßten sich selber hören», sagte sie mit belustigter Verachtung. «Sie reden genauso wie einer dieser Mistfinken von der Sitte. Die nehmen dich hopp, lassen dich von einem Arzt untersuchen, und dann halten sie dir einen Vortrag über die Gefahren der Geschlechtskrankheiten. Sie fangen an, sich wie ein Bulle anzuhören.»
« Und wenn die Polizei recht
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