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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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hat? Mal daran gedacht? » «Na, bei mir haben sie nie was gefunden. Und sie werden auch nichts finden.» Sie setzte ein kleines, schlaues Lächeln auf. «Wie ich sagte, ich bin vorsichtig. Ich muß den Herrn mögen. Was bedeutet, daß mit Iwans und Niggern nichts läuft.»
    «Ich nehme an, von einem Ami oder Tommy mit Syphilis hat noch nie jemand gehört.»
    «Gleich kommen Sie mir noch mit der Wahrscheinlich keitsrechnung», sagte sie finster. «Was wissen Sie denn über haupt davon? Daß Sie meinen Arsch gerettet haben, gibt Ihnen nicht das Recht, mir die Zehn Gebote vor die Nase zu halten, Berni.»
    «Man muß kein Schwimmer sein, um jemandem einen Rettungsring zuzuwerfen. Ich bin in meinem Leben genü gend Mädchen begegnet, um zu wissen, daß die meisten von ihnen genauso wählerisch angefangen haben wie du. Dann taucht jemand auf und schlägt sie zusammen, und beim nächsten Mal, wenn ihnen der Hauswirt wegen der Miete auf den Fersen ist, können sie sich's nicht erlauben, ganz so wählerisch zu sein. Du hast von Wahrscheinlichkeit gespro chen. Nun, die ist ziemlich groß, daß du's Französisch für zehn Schillinge machen mußt, wenn du vierzig bist. Du bist ein nettes Mädchen, Veronika. Wäre ein Pfarrer in der Nähe, würde er vielleicht denken, du wärst eine kurze Moralpre digt wert, weil aber keiner da ist, mußt du mit mir vorlieb nehmen.»

    Sie lächelte traurig und strich über mein Haar. « Du bist nicht so übel. Ich weiß zwar nicht, warum du's für notwen dig hältst. Es geht mir wirklich gut. Ich habe Geld gespart. Bald werde ich genug beisammen haben, um irgendwo eine Kunstakademie zu besuchen.»
    Ich hielt das für ebenso wahrscheinlich, als wenn sie den Auftrag bekommen würde, die Sixtinische Kapelle neu aus zumalen, aber ich spürte, wie sich mein Mund zu einem höf lich optimistischen Lächeln öffnete. «Na klar», sagte ich. « Hör mal, vielleicht kann ich dir helfen. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.» Es war ein miserabler, plattfüßi ger Versuch, die Unterhaltung auf den eigentlichen Zweck meines Besuches zurückzulenken.
    «Schon möglich», sagte sie und goß Tee ein. «Eins noch, und dann kannst du mir deinen Segen geben. Bei der Sitte gibt es Akten über mehr als fünftausend Mädchen in Wien. Aber das ist noch nicht mal die Hälfte. In den heutigen Zei ten muß jeder Dinge tun, die früher unvorstellbar waren. Vermutlich auch du. Man hat keine große Wahl, wenn man hungrig rumläuft. Und gar keine, wenn man in die Tschecho slowakei zurückkehren muß.»
    «Du bist Tschechin? »
    Sie trank einen Schluck Tee, nahm dann eine Zigarette aus dem Päckchen, das ich ihr gestern nacht geschenkt hatte, und griff nach einem Streichholz.
    «Wenn's nach meinen Papieren geht, wurde ich in Öster reich geboren. In Wirklichkeit bin ich Tschechin: eine sude tendeutsche Jüdin. Im Krieg verbrachte ich die meiste Zeit in Toiletten und auf Dachböden. Dann war ich eine Weile bei den Partisanen und dann sechs Monate lang in einem DP-La ger, ehe ich über die grüne Grenze floh.
    Hast du mal von einem Ort namens Wiener Neustadt ge hört? Nein? Also, das ist eine Stadt, fünfzig Kilometer von Wien entfernt, in der russischen Zone. Die Sowjets haben da ein Lager für Leute, die repatriiert werden sollen. Sechzig-

    tausend Menschen sind dort zur Zeit. Die Iwans unterteilen sie in drei Gruppen: Feinde der Sowjetunion werden in Ar beitslager geschickt; die, denen sie nicht nachweisen kön nen, daß sie Feinde sind, läßt man außerhalb des Lagers ar beiten - du landest also auf jeden Fall bei der Zwangsarbeit; das heißt, es sei denn, du wärst in der dritten Gruppe und krank oder alt oder sehr jung, dann würdest du auf der Stelle erschossen. »
    Sie schluckte heftig und nahm einen tiefen Zug. «Soll ich dir was sagen? Ich glaube, ich würde mit der ganzen briti schen Armee schlafen, wenn das bedeutete, daß die Russen mich nicht in die Finger kriegen. Und das schließt die Syphi litiker ein.» Sie versuchte ein Lächeln. «Aber ich habe zufäl lig einen Freund, einen Mediziner, der mir ein paar Fläsch chen Penicillin besorgt hat. Ich gebe mir selber ab und zu eine Dosis, um ganz sicherzugehen.»
    «Das hört sich teuer an.»
    «Wie ich sagte, er ist ein Freund. Es kostet mich nichts von meinem Ersparten.» Sie griff zur Teekanne. «Noch etwas Tee?»
    Ich schüttelte den Kopf. Ich war bestrebt, aus diesem Zim mer rauszukommen. «Laß uns irgendwohin gehen», schlug ich vor.
    «In

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