Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
war, ein derartig verschwenderisches Unternehmen zu finanzieren, mußte der Film als das teuerste Material seit der chinesischen Seide vorkommen und hätte, dachte ich, einen Mann wie Doktor Liebl vor Ungeduld halb wahnsinnig werden lassen.
Ich erkundigte mich bei einem Mann mit einem Klemm brett nach dem Studioleiter, und er verwies mich auf ein klei nes Büro im ersten Stock. Dort empfing mich ein großer, dickbäuchiger Mann mit gefärbten Haaren, der eine lilafar bene Strickjacke und das Benehmen einer exzentrischen alten Jungfer zur Schau trug. Während er sich mein Anliegen an hörte, umklammerte er die eine Hand mit der anderen, als hätte ich ihn um die Hand seiner Nichte gebeten, deren Vor mund er war.
« Was sind Sie, eine Art Polizist? » sagte er und kämmte mit dem Fingernagel seine widerspenstige Augenbraue. Von ir gendwo im Gebäude erscholl der Ton einer sehr lauten Po saune, was ihn veranlaßte, merklich zusammenzuzucken.
«Ein Detektiv», sagte ich hinterhältig.
«Nun, wir arbeiten immer gern mit denen da oben zusam men, das versichere ich Ihnen. Um was für eine Rolle, sagen Sie, hat sie sich beworben? »
« Ich sagte gar nichts. Leider weiß ich es nicht. Aber es war in den letzten zwei oder drei Wochen.»
Er nahm den Telefonhörer und drückte eine Taste. «Willy? Ich bin's, Otto. Sei ein Schatz und komm doch mal für einen Augenblick in mein Büro, ja?» Er legte auf und prüfte den Sitz seiner Frisur. «Willy Reichmann ist hier Pro duktionsleiter. Er kann Ihnen vielleicht helfen.»
«Danke », sagte ich und bot ihm eine Zigarette an.
Er schob sie sich hinter das Ohr. «Sehr freundlich. Ich rau che sie später.»
«Was drehen Sie gerade?» fragte ich, während wir warte ten. Wer immer die Posaune spielte, blies ein paar hohe Töne, die nicht sauber zu sein schienen.
Otto gab ein Stöhnen von sich und starrte schelmisch an die Decke. «Nun, der Film heißt Der Engel mit der Po saune», sagte er mit verdächtig wenig Begeisterung. «Er ist inzwischen mehr oder weniger fertig, aber der Regisseur ist ein schrecklicher Perfektionist.»
« Ist es vielleicht Karl Hart!? » «Ja. Kennen Sie ihn? »
«Nur Der Zigeunerbaron.»
«Ach ja», sagte er säuerlich. «Den.»
Es klopfte, und ein kleiner Mann mit hellroten Haaren trat ein. Er erinnerte mich an einen Kobold.
«Willy, das ist Herr Gunther. Er ist Detektiv. Falls du ihm verzeihen kannst, daß ihm Der Zigeunerbaron gefallen hat, könntest du vielleicht so nett sein, ihm zu helfen. Er sucht nach einem Mädchen, einer Schauspielerin, die vor nicht allzu langer Zeit zu Probeaufnahmen hier war.»
Willy lächelte unsicher, entblößte kleine, ungleichmäßige Zähne, die aussahen wie ein Mundvoll Steinsalz, und sagte mit einer Fistelstimme: «Sie kommen am besten mit in mein Büro, Herr Gunther.»
«Halten Sie Willy nicht zu lange auf, Herr Gunther», gab mir Otto mit auf den Weg, als ich Willys winziger Gestalt auf den Flur folgte. «Er hat in fünfzehn Minuten einen Termin.»
Willy drehte sich auf dem Absatz und schaute den Studio leiter verständnislos an. Otto seufzte ärgerlich: «Schreibst du jemals etwas in deinen Terminkalender, Willy? Es kommt doch dieser Engländer von London Films. Mr. Lydon Haynes? Vergessen?»
Willy knurrte irgend etwas und schloß dann die Tür hinter uns. Er ging voran über den Flur zu einem anderen Büro und schob mich hinein.
«Also, wie ist der Name des Mädchens?» fragte er, auf einen Stuhl deutend.
« Lotte Hartmann. »
«Den Namen der Produktionsgesellschaft kennen Sie nicht? »
«Nein, aber ich weiß, daß sie im Lauf der letzten Wochen hier war.»
Er setzte sich und öffnete eine der Schreibtischschubladen. «Also, im vergangenen Monat hat es nur Probeaufnah men für drei Filme gegeben, deshalb dürfte es nicht schwierig sein.» Seine kurzen Finger nahmen drei Aktenordner heraus, die er auf die Unterlage legte und anfing durchzusehen. «Steckt sie in Schwierigkeiten? »
«Nein. Es geht bloß darum, daß sie vielleicht jemanden kennt, der der Polizei bei einer Untersuchung helfen könnte, die wir durchführen.» Wenigstens das war die Wahrheit.
«Nun, wenn sie sich im letzten Monat um eine Rolle be worben hat, muß sie in einem dieser Ordner auftauchen. Wir mögen ja in Wien einen Mangel an attraktiven Ruinen ha ben, aber Schauspielerinnen haben wir jede Menge. Wissen Sie, die Hälfte davon sind Flittchen. Selbst in den besten Zei ten ist eine Schauspielerin bloß ein Flittchen mit einem
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