Bernie allein unterwegs
in dem merkwürdige Tiere herumgeistern und Braten verschwinden, wenigstens einen Kaffee bekomme, ohne mir idiotische Vorwürfe anhören zu müssen.«
Tante Hulda hatte Maikes Mutter den Wind aus den Segeln genommen. Einen Moment lang war Katrin sprachlos, aber dann wurden ihre Augen auf einmal groß und weit, als sie auf den Boden guckte. Sie stand seitlich vom Nachttisch und konnte dahinterschauen.
»Hulda!«, quiekte Katrin. »Hulda, was ist denn das?«
Sie bückte sich und zog hinter dem Nachttisch die Schüssel mit den Tupfen hervor, in der der Braten gewesen war. Mir lief schon wieder das Wasser in der Schnauze zusammen.
Und außerdem fand sie die leere Schnapsflasche, die ich auch dort deponiert hatte.
»Hulda, hast du den gesamten Braten gegessen, der eigentlich
heute Mittag für fünf Personen gedacht war? Sag mal, was bildest du dir denn eigentlich ein?«
Katrin war so empört, dass ihr die Stimme wegbrach.
»Keinen Bissen habe ich von dem blöden Braten gegessen!« Hulda stemmte die Fäuste in die Hüften. »Und ich verbitte mir diese Unterstellungen!«
»Und das? Was ist das?« Maikes Mutter schwenkte die leere Flasche über ihrem Kopf wie eine Trophäe. »Die hast du also auch dazu getrunken. Dann kann ich mir gut vorstellen, dass du nicht mehr weißt, wie du den Braten verschlungen hast! Ich bin entsetzt, Hulda, und ich muss dir ehrlich sagen, dass wir noch nie einen Gast hatten, der uns bestohlen, belogen und uns heimlich das Mittagessen weggefressen hat.«
Jetzt schnappte Hulda nach Luft, und einen Moment lang glaubte ich, die beiden würden sich gegenseitig die Augen auskratzen. Aber sie taten es nicht, sondern standen voreinander, starrten sich an und pumpten wie zwei Frösche, kurz bevor sie quakten.
»Ich werde dir nicht weiter zur Last fallen«, keifte Hulda schließlich. »Ich reise ab. Sofort. Noch vor dem Frühstück. Es passt mir nicht, wie ich hier behandelt werde. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, dir die wertvollen Smaragdohrringe zu vermachen, die ich von meiner Tante Trude, Gott hab sie selig, geerbt habe – aber das hat sich nun erledigt. Ich werde mein Testament ändern.«
»Tu das, Hulda«, meinte Maikes Mutter ganz lässig, nahm Schüssel und Schnapsflasche und sagte, während sie den Raum verließ: »Und steck dir die Ohrringe an den Hut, liebste Tante!«
Sie ging, und die Tür flog zu, dass es nur so krachte.
Oh Hund, da hatte ich ja etwas Schönes angerichtet. Aber konnte ich überhaupt etwas dafür? Ich hatte ja nur das gefressen, was Tom mir gebracht hatte, und die leere Flasche hatte ich aus dem Garten geholt, so wie es sich für wohlerzogene, ordentliche Hunde gehörte.
Arme Tante Hulda! Da war der Aufenthalt an der Nordsee für sie ja sehr schnell zu Ende gegangen.
HERR GRIESMEIER
Gegen elf reiste Tante Hulda ab. Sie hatte natürlich doch noch gefrühstückt und Kaffee getrunken, weil sie sonst die Bahnfahrt nicht überleben würde, wie sie sagte. Zum Abschied gab sie Maikes Eltern förmlich die Hand, Tom einen leichten Klaps auf den Hinterkopf mit der Ermahnung, immer brav zu sein, und Maike erinnerte sie daran, alle Vielfraße und schnarchenden Ungeheuer aus ihrem Zimmer zu entfernen, weil sie sonst erstens krank und zweitens verrückt werden würde.
Tom kicherte, als sie das sagte.
Und dann fuhr sie in einem Taxi zum Bahnhof. Die ganze Familie winkte, als das Taxi davonfuhr, aber auf mich wirkte es wie eine Geste, die sagen wollte, hau ab, verschwinde endlich. Ich saß nämlich hinter dem Rosenbusch im Garten und konnte alles bestens beobachten.
Danach war Ruhe und die Luft rein. Maikes Vater war einkaufen gefahren, und Maikes Mutter hatte sich hingelegt, weil sie Kopfschmerzen hatte, die Hulda-Migräne, wie sie es nannte.
Ich nutzte die Zeit und tobte mit Maike und Tom im Garten herum, was einen unglaublichen Spaß machte. Nach dem riesigen Schweinebraten hatte ich die Bewegung bitter nötig.
Plötzlich klingelte es.
»Versteck dich!«, raunte mir Maike zu.
Ich kroch wieder auf meinen Beobachtungsposten hinter dem Rosenstrauch.
Maike ging zur Gartentür. Dort stand ein Mann, der eine Glatze hatte und ziemlich alt und ziemlich dick war. Mit einem roten Mantel, einem weißen Bart und einer Kapuze hätte er wie der leibhaftige Weihnachtsmann ausgesehen.
»Tag, Herr Griesmeier«, sagte Maike.
»Guten Tag! Sind deine Eltern zu Hause? Ich muss unbedingt mit ihnen reden.«
»Nö. Sind sie nicht. Worum geht’s denn?«
»Das möchte ich nicht mit
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