Bernie und Chet
Pfeffer, Nerzmänteln und einem winzigen Hauch Tomate – und, um ehrlich zu sein, eine große Prise von etwas Männlichem, Erdigem. Mein Geruch, ja, genau der. Mein Geruch und nur mein Geruch, ein unleugbarer Beweis, dass Chet the Jet hier vorbeigekommen war.
»W as gefunden, Junge?«
Ja. Ich senkte die Schnauze auf die ausgedorrte Erde, die mittlerweile wärmer als die Luft war – die Hitze des Tages war noch darin gefangen –, und schnüffelte nach weiteren Spuren von mir. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, aber dann schnappte ich in der Nähe von irgendetwas Menschengemachtem, das völlig verrostet und nicht mehr identifizierbar war, einen Hauch von etwas auf, schwächer noch als der erste, fast nicht mehr da. Ich wandte mich den rosafarbenen Hügeln zu und trabte langsam, die Nase am Boden, auf den größten davon am Ende der Hügelkette zu. Wieder ein Hauch? Ich hatte den Eindruck und änderte erneut die Richtung. Dann kam eine lange, geruchslose Strecke, und als ich wieder aufblickte, waren die weit entfernten Hügel immer noch weit entfernt, aber nicht mehr rosa, bis auf die Spitze des größten, und unsere Schatten waren verschwunden. Stattdessen bedeckte alles ein einziger großer Schatten, und der Himmel wurde dunkel.
»W ie geht ’ s?«, fragte Bernie.
Der Wind nahm zu, wehte von den fernen Hügeln her. Ich hob die Nase und schnupperte. Wie es mir ging? Prima. Wir würden das schon schaffen. Aber, offen gestanden, brachte der Wind nichts, nada, nullo, und das wunderte mich: Der Wind war normalerweise mein Freund. Ich änderte ein bisschen die Richtung, schnüffelte an einem Steppenläufer. Wieder Bussard – Bussardgestank zu erkennen war ein Klacks – und vielleicht irgendeine Eidechse, aber nichts von mir. Der Wind nahm noch mehr zu, und der Steppenläufer kullerte davon.
Die Nacht brach herein, ein endloser schwarzer Himmel voller Sterne und bald auch mit Mond, rund und weiß. Bernie hatte alle möglichen seltsamen Ideen, wenn es um den Mond ging – zum Beispiel, dass er nicht von sich aus leuchtete und einmal Teil der Erde gewesen war –, aber ich wusste nur, was er bei mir anrichtete. Schwer zu erklären, aber ich fühlte mich immer total auf Zack bei Mondlicht. Heute Nacht war das Mondlicht so hell wie noch nie. Mochte Bernie über das Mondlicht denken, wie er wollte: Er brauchte die Taschenlampe nicht einmal anzuknipsen.
Wir liefen immer weiter, begleitet allein vom Geräusch des Windes; Bernie und ich wussten, wie man sich lautlos bewegte. Einmal blitzte etwas auf, und ich flitzte hin, schnüffelte an einer Glasscherbe. War da etwas? Vielleicht, nur vielleicht, ein Hauch von Nerz, meine Nerzigkeit. Ich wechselte erneut die Richtung, lief langsam im Zickzack, immer auf der Suche, nicht nachlassend. Der Mond wanderte über den Himmel. Ich nahm dieses und jenes wahr – kein Nerz mehr, aber ein paarmal ein Hauch von Tomate, und einmal dieses Männliche, Erdige, bestimmt meins – und änderte wieder und wieder die Richtung, vielleicht sogar noch einmal. Bernie ging neben mir her. Wenn ich anfing zu traben, fiel er manchmal in Laufschritt und sein Keuchen durchbrach die Stille. Zeit verging, wahrscheinlich eine ganze Menge. Er sagte kein Wort. Ich spürte sein Vertrauen. Bernie glaubte an mich. Das machte mich noch stärker als sonst. Wenn nötig, hätte ich die ganze Nacht lang weitersuchen können.
Und dann: endlich! Vor uns entdeckte ich ein Schild an einem Pfosten, obwohl wir mitten in der Einöde waren; ich erinnerte mich an das Schild, ich hatte es in der Nacht meiner Flucht vor Mr Gulagow gesehen. Ich rannte hin, Bernie hinterher. Jetzt knipste er die Taschenlampe an, leuchtete das Schild an. Ich sah, wie verwittert es war, die Buchstaben waren fast vollständig verblasst. Bernie wischte mit der Hand leicht über das Holz und sagte: »S ieht aus wie ›G host‹ und noch irgendwas. ›S ieben Kilometer‹.« Er drehte sich zu mir. »W ahrscheinlich ›G host Town‹ – davon gibt es eine ganze Menge hier in der Gegend. Warst du hier, Chet?« Ghost Town sagte mir nichts, aber ob ich hier gewesen war? Ja, klar. Ich machte ein, zwei Schritte auf das Schild zu und wurde plötzlich von meinem Geruch überfallen. So stark war er die ganze Zeit nicht gewesen.
Ich raste los.
»C het! Chet! Nicht so schnell.«
Ich versuchte, langsamer zu laufen, aber es fiel mir schwer, wo doch der Geruch immer stärker wurde. Ich trabte voraus, rannte zurück, umkreiste Bernie, lief weiter. Das trieben
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