Bernstein Verschwörung
einer der
ausladenden Kastanien reckte sich eine massige Gestalt, und Kalla
winkte ihn mit einem breiten Grinsen an den Tisch. »Man
könnte meinen, du hast einen Vertrag mit dem Laden«,
grinste Kalla, während Stefan sich setzte. »Jetzt
treffen wir uns schon wieder hier.« Neben dem Taxifahrer
saß ein drahtiger Mann, den Stefan auf Anfang, Mitte
fünfzig schätzte.
»Das ist Stefan,
mein Freund vom Radio«, wandte sich Kalla an ihn. Dann
deutete er mit dem Daumen auf den Unbekannten. »Und das ist
mein alter Kumpel Werner. Eigentlich Hans-Werner Schlupkothen, aber
das förmliche Sie können wir uns, glaub ich,
schenken.«
»Klar.«
Stefan hatte keine Einwände. Schlupkothen trug zur Jeans ein
helles T-Shirt. »Sag mal, musst du in deinem Job nicht immer
korrekt im Anzug und mit Krawatte auftreten?«
»Das schon -
aber, du sagtest es: im Job. Privat kann ich so ziemlich machen,
was ich will.« Schlupkothen zeigte eine Reihe weißer
Zähne. Er wirkte gepflegt und schien sehr auf sein
Außeres zu achten.
Eine junge Kellnerin
trat an den Tisch, und Stefan bestellte sich ein großes
Wupper Hell, mit dem er den Feierabend einläutete. Die beiden
Freunde orderten, wohl berufsbedingt, zwei
Apfelschorlen.
»Der Werner ist
gekommen, weil er dir mit den Zahlen besser helfen kann als
ich«, eröffnete Kalla schließlich das
Gespräch. »Zumindest, was seinen Part
betrifft.«
»Schön,
dass das so schnell geklappt hat.« Stefan zückte einen
kleinen Spiralblock und einen Stift. Die Getränke kamen, und
nachdem die Männer sich zugeprostet hatten, kam Stefan zum
Grund des Treffens. »Es geht, wie Kalla dir sicher schon
erzählt hat, um die kritischen Stimmen in unserer Stadt. Die
Finanzlage ist katastrophal, und die Bürger sehen immer
wieder, wie der Oberbürgermeister sich mit seinem Mercedes von
einem Chauffeur zu den Terminen fahren lässt.«
Schlupkothen nickte. »Das höre ich ziemlich oft in
letzter Zeit, deshalb habe ich mir einmal die Mühe gemacht,
die Kosten gegenzurechnen. Und, um es vorwegzunehmen: Würde
Johannes Alt mit dem Taxi von Termin zu Termin fahren, wäre
das Ganze fast genauso teuer. Du darfst nicht vergessen, dass er
den Wagen unterwegs auch als mobiles Büro nutzt. Er hat immer
die wichtigsten Akten dabei, um unterwegs arbeiten zu können.
Ist ja heutzutage alles kein Problem mehr, mit Handy und mobilem
Internet.«
»Sicherlich
weißt du, wie viele Kilometer du im Jahr mit dem OB unterwegs
bist?« Stefan schrieb mit. »Klar.« Schlupkothen
lachte. »Knapp 30.000 Kilometer im Jahr sind wir gemeinsam on
the road. Macht einen Dieselpreis von knapp zweieinhalbtausend
Euro, Steuern und Versicherung für den Benz und meine
Personalkosten schlagen mit 40.000 Euro zu Buche. Kommt noch die
Leasingrate hinzu …« Werner Schlupkothen zog die
Mundwinkel schätzend nach unten und drehte den Daumen in der
Luft. »Ich schätze, da sind wir noch mal mit 7.000 Euro
im Jahr dabei.«
»Sind rund
47.000 Euro«, murmelte Stefan. »Und Taxifahren
käme bei der Kilometerleistung auf ziemlich genau 45.000
Euro«, mischte sich nun auch Kalla ein. »Das habe ich
bei den Kollegen in der Taxizentrale nachgefragt. Insofern ist es
fast unerheblich, ob der OB mit 'ner Taxe oder seiner
Hightech-Karosse durch die Gegend gurkt.«
»Gut, aber es
wäre doch eine Möglichkeit, ein kleineres Dienstfahrzeug
anzuschaffen«, überlegte Stefan und dachte daran, dass
er mit seinem über vierzig Jahre alten VW Käfer auch gut
von A nach B kam. Bei der Vorstellung, dass der
Oberbürgermeister künftig von einem Chauffeur in einem
Käfer vorfahren würde, musste er jedoch
schmunzeln.
Kalla grinste. Er
schien Stefans Gedanken erraten zu haben. »Vergiss es«,
lachte er. »Der Käfer eignet sich nicht so gut als
rollendes Büro. Die Kiste ist so eng wie eine
Konservendose.«
»Mach mal
langsam«, erwiderte Stefan und nahm einen Schluck Wupper
Hell. Er überlegte, ob die Dienstwagen der Stadtverwaltung
tatsächlich der Anlass waren, den OB zu bedrohen und einen
seiner Dezernenten umzubringen. Das Ganze kam ihm ziemlich an den
Haaren herbeigezogen vor. Er ahnte, dass etwas anderes hinter der
Sache steckte. Unwillkürlich erinnerte er sich an Heikes Idee,
dass sich das Bernsteinzimmer in Wuppertal befinden könnte.
Wenn das stimmte, so wahnwitzig es auch klingen mochte, dann
wäre die Stadt saniert. Oder derjenige, der das
Bernsteinzimmer zuerst fand
…
Polizeipräsidium, 18.35
Uhr
»Die Liste mit
den Kontakten liegt
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