Bernstein Verschwörung
vor«, rief Heinrichs, als er aufgeregt
wie ein kleiner Junge Ulbrichts Büro betrat. Ulbricht, der die
Füße zu einem Nickerchen auf die Ecke seines
Schreibtisches gelegt hatte, war sofort auf
hundertachtzig.
»Wann lernen Sie
es endlich, anzuklopfen?«, patzte er seinen Assistenten an.
Er streckte sich und fuhr sich mit der flachen Hand durch das
Gesicht. Inzwischen machte sich das Schlafmanko bemerkbar, und er
war eben doch nicht mehr der Jüngste. »So«, sagte
er dann. »Und nun reden Sie endlich, Mann. Was für eine
Kontaktliste?« Heinrichs ließ sich auf den freien
Besucherstuhl plumpsen. »Die Liste der Leute, mit denen
Koljenko kurz vor seinem Tod noch Kontakt hatte. Die Jungs in der
IT-Abteilung haben einen guten Draht zum Telefon-Provider, deshalb
ging das so schnell. Ich habe die Daten dann mit den Einträgen
im Melderegister des Einwohnermeldeamtes
abgeglichen.«
»Sie sind ein
Held«, murmelte Ulbricht gelangweilt und blätterte durch
den Ausdruck, den Heinrichs ihm auf den Schreibtisch geworfen
hatte.
»Der letzte
Anruf stammt von einem gewissen Kolja Smirnow, einem jungen
Ukrainer.« Heinrichs nahm die Brille von der Nase und begann,
die Gläser am Stoff seines Hemdes zu putzen. Immer wieder
hauchte er gegen das Glas. »Schön. Ein Ukrainer trifft
einen Ukrainer. Und die sind sogar befreundet im fernen
Deutschland.« Ulbricht zog sarkastisch die Mundwinkel hoch.
»Und sonst?«
»Warten Sie es
doch ab, Chef.«
»Nennen Sie mich
nicht…«
»Schon gut,
nichts für ungut«, erwiderte Heinrichs peinlich
berührt. »Also, ich mache es kurz. Während Sie ein
Nickerchen gemacht haben, war ich so frei, die im Telefonregister
von Alexander Koljenko gespeicherten Namen durch unsere
Datenbänke zu jagen. Besagter Kolja Smirnow ist den Kollegen
aus der OK bereits bekannt.«
»Ich habe es
befürchtet«, brummte Ulbricht. »Organisierte
Kriminalität, na herzlichen Glückwunsch. Also doch
Russenmafia?«
»Schwer zu
sagen.« Heinrichs erhob sich und marschierte im Büro
seines Vorgesetzten wie ein dozierender Professor auf und ab.
»Jedenfalls ist der in der Vergangenheit immer wieder in
Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen aktenkundig geworden.
Allerdings scheint er einen sehr guten Anwalt zu haben, denn die
Kollegen mussten ihn immer wieder laufen lassen.« Heinrichs
blieb am Fenster stehen und wandte sich ruckartig zu Ulbricht um.
»Vielleicht ein Indiz auf die Organisierte Kriminalität,
der man gern nachsagt, dass sie die besten Anwälte auf den
Lohnlisten hat.« Heinrichs setzte sie Wanderung durch das
Büro fort.
»Mann, Sie
machen mich irre mit Ihrem Rumgerenne«, bellte Ulbricht.
»Da kann doch kein Mensch klar bei denken!«
Heinrichs nickte und
setzte sich brav wieder auf den Stuhl vor Ulbrichts Schreibtisch,
der nicht von dessen Mantel belegt war. »Und
jetzt?«
»Klopfen wir
diesem Smirnow mal auf den Busch.« Ulbricht erhob sich.
»Ich hoffe, Sie haben nichts vor heute Abend?« Nachdem
er sich gestreckt hatte, umrundete er seinen Tisch und nahm den
Sommermantel vom Stuhl. Eilig warf er ihn über die Schulter
und ging zur Tür. Dort angekommen, wandte er sich zu seinem
Assistenten um. »Na, worauf warten
Sie?«
Sedanstraße,
18.40 Uhr
Ein schrecklicher Tag
lag hinter ihr. Nichts und niemand konnte sie aufheitern. Mirja
fühlte sich, als wäre die Welt untergegangen. Seitdem sie
die Nachricht von Alexanders Tod erhalten hatte, fühlte sich
ihr noch so junges Leben sinnlos und schmerzhaft an. Sogar ihre
Eltern hatte sie gebeten, sie allein zu lassen.
Am Nachmittag hatte
sie sich eine Flasche Sekt geöffnet, die sie im
Kühlschrank gefunden hatte. Sie hoffte, im Nebel des Alkohols
den Schmerz besser ertragen zu können und hatte gleich aus der
Flasche getrunken. Nun war sie zwar benebelt, aber ihre Gedanken
kreisten nach wie vor um den Verlust ihres Freundes. Er war
erschossen worden - in einem alten Luftschutzbunker, gleich hier um
die Ecke. Wahrscheinlich, so hatten ihr die Polizisten gesagt,
waren es sogar Landsleute von Alexander gewesen; darauf deuteten
die Herkunft der Munition und ein Tonbandgerät hin.
Am späten
Nachmittag hatte sie von zwei Polizisten Besuch erhalten. Sie
hatten sich als Mitarbeiter des KK 11, der Abteilung, dessen Leiter
Kommissar Ulbricht war, ausgegeben und ihr einige Fragen gestellt,
deren Sinn sie nicht verstanden hatte. Ob Alexander in irgendwelche
Geschäfte verwickelt gewesen sei, hatten sie gefragt. Und
Mirja hatte
Weitere Kostenlose Bücher