Bernstein Verschwörung
gemeldetes
Prepaid-Handy handelt, macht die Sache kompliziert. Aber wir
bleiben dran. Es ist noch ein anderer Mann in der Anrufliste des
Dezernenten aufgetaucht.« Ulbricht machte es spannend.
»Den vorletzten Anruf in seinem Leben erhielt Jörg
Trautler von einem gewissen Heinrich Große. Im letzten Jahr
hat er sich als zweifelhafter Bernsteinzimmer-Forscher einen Namen
gemacht.«
»Oh nein, nicht
Große«, stöhnte Heike.
»Sie kennen
ihn?« Ulbricht forschte in Heikes Gesicht.
»Natürlich,
ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich an einem Beitrag über den Verbleib des
Bernsteinzimmers arbeite«, erwiderte Heike aufgebracht.
»Große ist ein sehr integrer Mann, der lange Zeit im
Stadtarchiv am Haspel gearbeitet hat.«
»Was nichts
daran ändert, dass wir ihn mit einem Tötungsdelikt in
Verbindung bringen«, konterte Ulbricht unbeeindruckt. Er
wandte sich zum Gehen. Mirja, Heike und Stefan folgten ihm in den
Flur. Dort angekommen, drehte sich Ulbricht noch einmal um.
»Sollte an dieser verdammten Bernstein-Spinnerei
tatsächlich etwas dran sein, hätte er ein Motiv: Habgier
ist ein nicht zu unterschätzendes Mordmotiv. Das sollten auch
Sie wissen, Frau Göbel.« Dann war er
draußen.
Kaiserstraße,
20.10 Uhr
Der alte Mann griff
zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher ab. Wie immer hatte
er die Nachrichten gesehen, doch die Ereignisse der Welt prallten
heute an ihm ab. Immer neue Schreckensmeldungen aus Japan, immer
wieder Unruhen im Nahen Osten. Es war zum Verzweifeln. Und dennoch
gab es andere Dinge, die Gustav Blum an diesem Abend mehr
beschäftigten. Blum ließ sich in die Lehne seines alten
Ohrensessels fallen und schüttelte den Kopf. Nachdenklich
starrte er ins Leere und knibbelte mit dem Zeigefinger über
das vergilbte Klebeband, mit dem er die Fernbedienung nach einem
Sturz vom Tisch provisorisch geklebt hatte.
Als vor dem Fenster
eine Schwebebahn vorbeirumpelte und der Lichtschein der Bahn ins
Zimmer fiel, erwachte er aus den trüben Gedanken. Der Junge
war tot, ermordet worden. Im Bunker, so hatten sie es im Radio
gesagt. Also hatte sich Alexander nicht mit seinem Wissen aus dem
Staub gemacht. Er hatte um das Geheimnis, das er mit dem alten Mann
teilte, gekämpft. Und den Kampf verloren. Gustav Blum seufzte.
Der alte Mann wusste nicht, ob Alexander sein Geheimnis mit ins
Grab genommen hatte oder ob seine Mörder nun alles wussten.
Das wäre sicherlich fatal. Unruhe packte Blum. Er legte die
geklebte Fernbedienung auf der Lehne des Sessels ab und erhob sich
schwerfällig. Die verdammte Hüfte machte ihm Probleme,
und so hinkte er ein paar Schritte durch die Wohnung.
Natürlich gab er sich die Schuld am Tod von Alexander. Er
hatte den Jungen anscheinend ins offene Messer rennen lassen. Warum
hatte er nicht einkalkuliert, dass es auch andere Menschen gab, die
sich das weltberühmte Bernsteinzimmer unter den Nagel
reißen wollten? Eigentlich war er kein naiver Mann. Aber er
hatte dem Jungen vertraut. Wahrscheinlich hatte er geplaudert und
so das Interesse von zweifelhaften Freunden geweckt. Ja, so musste
es gewesen sein. Doch die Ahnung war kein Wissen, und er suchte
verzweifelt nach einer Erklärung. Gustav Blum wusste, dass
seine Enkelin litt. Sie hatte ihren Freund verloren, ihren ersten
richtigen Freund. Die beiden waren ein hübsches Paar gewesen,
und Mirja hatte ihrem Opa sogar von einer romantischen Hochzeit
vorgeschwärmt. So hatte er seine Enkelin noch nie erlebt. Sie
hatte ihr Abitur machen wollen, danach ein Studium und eine steile
Berufskarriere. Doch seitdem sie Alexander kannte, hatte sie ihr
Leben grundlegend umgekrempelt. Sie hatte von einem Leben an der
Seite des jungen Russen geträumt. Dieser Traum war nun
zerplatzt wie eine Seifenblase. Blum stand am Fenster und blickte
hinaus in den Abend. Auf der Kaiserstraße herrschte nicht
viel Verkehr um diese Zeit. Im Haus gegenüber brannte Licht
hinter einigen Fenstern; und er sah das bläuliche Flimmern
eines Fernsehers. Selbstzweifel plagten ihn. Er musste seiner
Enkelin reinen Wein einschenken. Morgen würde er sie besuchen.
Morgen.
Und er schmiedete
einen Plan. Es war an der Zeit, die Vergangenheit zu vergessen und
an Morgen zu denken. Das Wissen um das verdammte Bernsteinzimmer
war zu einem tödlichen Fluch geworden. Ein junger Mann war
gestorben, seine Enkelin sicherlich am Boden zerstört. Er
hatte es noch nicht gewagt, sie anzurufen. Zu groß war die
Unsicherheit, denn er wusste nicht, was er ihr sagen sollte,
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