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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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nicht in der Lage, neue Werkzeuge und Hilfsmittel zu kreieren, um all das Verlorene zu ersetzen. Wo man einst die Magie der Menschen, die sie kontrollierten, gefürchtet hatte, waren sie nun, ohne Freunde und bar jeder Macht, verachtet und verspottet, fristeten eine kärgliche Existenz am Rande der Gesellschaft.
    Im Laufe der Zeit, während die Sternenmenschen allmählich verschwanden, kehrten die Wirklichen Menschen zurück in die besseren Landgebiete, um schließlich in die verlassenen Städte der stark dezimierten Menschen vorzudringen. Doch auch in den Städten – ja, gerade in den Städten – wurden die Kith-Brüder der Sternenmenschen ferngehalten, nur wenige der Wirklichen waren bereit, sich mit ihnen zu vereinigen oder sich mit ihnen anzufreunden. Die Zermürbung wuchs, als unzufriedene Mitglieder der Kith-Brüder ihren Glauben, der sie zu Außenseitern machte, aufgaben und sich den umherziehenden Banden anschlossen oder einfach in der Menge verschwanden. Und mit dem Schrumpfen der Zahl der Eltern-Kiths verfremdete Inzucht mehr und mehr das uralte Wissen. Es waren nicht genügend Freunde da, um sich mit ihnen zu vereinigen, um das Wissen mit ihnen zu teilen. Es gab keinen ausreichenden Informationsfluß, der ihnen vielleicht das Vertrauen anderer geschenkt hätte; ihre eigenen Leute sahen sie mehr und mehr als Dämonen, besessen von bösen Geistern, Kreaturen, die man vom Antlitz des Planeten tilgen mußte.
    Und schließlich wurde er geboren, Mondschatten, das einzige Kind der letzten Sternenmenschen-Kith-Frau. Verfolgt von den Stimmen, der Vergangenheit, immer unter dem Einfluß uralter Stimmen, die zu stark für ihn waren, als daß er sie hätte kontrollieren können, war er in seine einsame Flüchtlingsexistenz getrieben worden, ständig unter dem Einfluß des unnachgiebigen Kith seines Vaters. Seine Mutter war gestorben, ihr Geist lebte nur in ihm weiter. Aber er hatte sich entschlossen, mit der Existenz des Kith seines Vaters zu leben, sich diesem zu unterwerfen. Und so wurde er mißhandelt und ausspioniert von denen, die die Sternenmenschen noch immer fürchteten, sowohl ihre Erinnerung als auch ihre einstige Macht.
    Niemand würde bereit sein, nach seinem Tod die Chitta-Zeremonie abzuhalten, seinen Geist zu rufen, wenn sein Körper starb, es gab niemanden, der seinen Geist aufnehmen würde, der nun als einziger die Erinnerung all der Vorfahren enthielt.
    Es war sein Schicksal, einsam und verlassen zu sein, böse Träume über die Seelen zu bringen, die ihm eine Aufnahme verweigerten. All die Kith-Seelen, die sein Geist enthielt, würden mit ihm enden. Er würde sterben, wie noch niemand in seiner Erinnerung gestorben war, vergessen für immer, verloren, nicht Teil einer weiteren Seele …
    Tarawassie streichelte sein seidiges Fell, seine schwieligen Hände; nun verstand sie, warum er so sehr darauf gedrängt hatte, ihr Bruder zu werden, sich mit ihm zu vereinigen. Eine Art Unsterblichkeit … Sie lehnte sich zurück. Sie wußte, daß sie beide unendlich wertvoll füreinander waren, denn sie würden sich ständig isoliert, heimatlos und verloren fühlen, hier in dieser fremden Welt. „Hier gibt es nichts als den Tod!“ Ihre Stimme versiegte, sie rekapitulierte Shemadans Vorstellung von der Sternenquelle, die diese Welt des Irrsinns mit einer verband, die sicher und besser sein würde … „Und wenn meine Mutter noch am Leben wäre? Die Sternenquelle funktionierte, sie hatte sie akzeptiert. Vielleicht war sie in der Heimatwelt wiedererstanden, ohne ihre Krankheit, am Leben und glücklich. Oder vielleicht hatten die Menschen, die in der Lage waren, eine Sternenquelle zu erfinden, auch Mittel und Wege, sie zu heilen; vielleicht erwartet sie mich in einer wunderschönen Welt und kann mir nicht mitteilen, wie ich zu ihr gelangen kann, kann mich nicht erreichen?“ Sie erinnerte sich an den Körper ihrer Mutter und den Andars, wie sie leblos in der Sternenquelle trieben. „Und ich weiß es, aber ich kann nicht gehen, denn ich fürchte mich vordem Sterben!“
    „Vielleicht funktioniert Sternenquelle nicht, vielleicht sie gestorben … Niemand kommt hierher lange Zeit. Vielleicht Sternenmenschen alle gegangen, irgendwohin gegangen …“ Er wußte nicht zu sagen, ob diese Tatsache gut oder schlecht sei. Dann, mit einem besitzergreifenden Tonfall: „Du bleiben …“
    „Das kann nicht sein. Sie können nicht tot sein.“ Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie seine Worte nicht gehört, doch sie wußte

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