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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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spielte keine Rolle. Der Name hatte für sie keine Bedeutung. Die Trogs sahen ihn weiter unbeweglich an. Jary sah weg, als ein weiterer Trog aus dem Wasser kam. Als der Schlamm von dessen Haut abglitt, erstarrte er, denn diese Haut unterschied sich vollkommen von der, die ihm vertraut war – sie war glänzend und silbern und reflektierte sein Licht. Sie spannte sich auf seltsame, wenig funktionelle Weise beim Gehen, und die Bewegungen des Geschöpfes wirkten unsicher und hölzern. Mittlerweile sahen alle Trogs zu ihm hin, und als er selbst sich erhob, um es näher zu betrachten, huschten sie alle davon und umringten den Silbernen ebenfalls. Dann kamen plötzlich mehr Trogs aus dem Wasser, und er beobachtete verwirrt, wie die Masse den Silbernen angriff und ihn zusammen mit den Widerstrebenden ins Wasser zurückzerrte.
    Jary stand wartend am Ufer, während Sekunden zu Minuten wurden, aber es geschah nichts mehr. Die Trogs kamen nicht mehr zurück. Aufsteigende Gasblasen erzeugten Wellen, die sich am Ufer brachen, doch ansonsten wühlte nichts die Wasseroberfläche auf. Er kauerte sich nieder und betrachtete die Spuren im feuchten Schlamm, wo die Trogs seinen eigenen, verschmutzten Anzug untersucht hatten.
    Sie würden nicht mehr zurückkehren, dessen war er nun ganz sicher. Aber weshalb nicht? Was war der silberne Trog, und warum hatte er zuvor noch keinen von dieser Art gesehen? Warum hatten die anderen ihn angegriffen? Oder hatten sie ihn nur vor ihm beschützen wollen?
    Vielleicht hatten sie ganz plötzlich erkannt, was er war: nicht Piper Alvarian Jary, sondern eines der großen, unsichtbaren Ungeheuer, die sie grundlos und ohne Vorwarnung angriffen.
    Und er hatte sie entkommen lassen. Warum, wo sie doch an seinem Anzug hochgeklettert waren und förmlich darum gebeten hatten, in die Schachtel gelegt zu werden? Sie waren vertrauensvoll zu ihm gekommen und hatten sich ihm ausgeliefert, und sie hatten nicht gewußt, was er war.
    Hatten nicht gewußt, was er war …
    In diesem Augenblick erkannte er, daß er Orr niemals etwas von der Rettung, dem Tanz oder dem silbernen Trog erzählen würde – und auch nicht, wie sie sich um ihn versammelt hatten. Das Geheimnis ihrer Existenz würde bei ihm sicher ruhen – er würde ihr Leben nicht unnötig in Gefahr bringen. Er berührte seinen schmutzigen Anzug. Unwissentlich hatten sie ihm eine Methode gezeigt, wie sie gewarnt werden konnten, wann immer er mit Orr herkam. Vielleicht, wenn er Glück hatte, würde Orr nie mehr einen Trog zu Gesicht bekommen … Jary ballte die Hand bekräftigend zur Faust. Der verdammte Orr! Das geschah ihm recht!
    Was aber, wenn Orr herausfand, was er getan hatte? Vielleicht gab Orr ihn frei und setzte ihn hier aus … Aber irgendwie entsetzte ihn dieser Gedanke nicht mehr. Nichts mehr von dem, was sie ihm antun konnten, spielte noch eine Rolle – denn seine Entscheidung hatte nichts mit seinem Leben unter den Menschen zu tun, wo er nur lebte, um eine Schuld abzuzahlen, die niemals abgezahlt werden konnte. Egal wie sehr er auch litt, im Universum der Menschen trug er das Mal Kains. Er würde nie aufhören, Piper Alvarian Jary zu sein.
    Aber hier, im Universum der Fremden, existierte sein Verbrechen nicht. Er konnte hier beweisen, was er in seiner eigenen Welt niemals würde beweisen können – daß er nämlich die Freiheit besaß, die richtige oder falsche Wahl zu treffen. Was ihm von nun an auch geschehen würde, sie konnten ihm niemals mehr das Wissen nehmen, daß er irgendwo und irgendwann kein Teufel, sondern ein Heiland gewesen war. Ein Licht in der Finsternis …
    Jary stand auf und machte sich auf den Rückweg. In der einen Hand trug er die leere Probenschachtel.
     

 
Nachwort
     
    Die Katze locken ist eine der Geschichten, die sich während ihrer Entstehung verändern. Zu Beginn hatte ich jene alte Geschichte im Sinn, in der Mäuse ganz bewußt die Katze herbeilocken, damit sie sie nicht unerwartet überfallen kann. Held der Geschichte ist normalerweise immer eine bestimmte Maus, die die Tat ausführen muß, und es wird dann geschildert, wie sie das bewerkstelligt, ohne dabei selbst gefressen zu werden. Ursprünglich wollte ich über winzige Außerirdische schreiben, die sich gegen große Menschen zur Wehr setzen mußten, die die „Katze“ verkörperten. Irgendwann im Verlauf der Geschichte fiel mir dann aber auf, daß man auf die Bereitschaft der Katze angewiesen ist, die man locken will. Damit war die Saat der Veränderung

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