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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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mit einer Entschuldigung bekommen, wenn Harvey Weems weiß, was gut für ihn ist.
    Trotzdem, volle fünf Seiten und das Inhaltsverzeichnis. Wie kann man denn fünf Seiten vergessen? Und das Inhaltsverzeichnis.
    Woher soll ich wissen, daß es keinen Staatsstreich gegeben hat? Vielleicht hat der Nordwesten jetzt endgültig die Macht an sich gerissen und zensiert die Medien – und wie bei dem Mann ohne Land werden künftig alle Informationen, die sie mir zukommen lassen, lückenhaft sein.
    Aber ausgerechnet in Science ?
    Oder vielleicht möchte Weems mich in den Wahnsinn treiben?
    Oh, mein Gott … das würde eine kurze Reise werden. Schau dich doch an. Ich habe fast keine Fingernägel mehr.
    („Orrrk. Hallo, wunderbar. Hallo? Hallo?“)
    („Ozymandias! Verschwinde aus meinen Haaren, du Teufel.“ Gelächter. „Mag Polly einen Keks? Hier … sachte. Das ist ein Kerl.“)
    Es ist herrlich, wenn er fliegt. Ich habe es nie satt, ihn anzuschauen oder ihm zuzusehen, auch nach zwanzig Jahren noch nicht. Zwanzig Jahre … womit haben die Papageien sich das Recht erworben, einen Regenbogen als Gefieder tragen zu dürfen? Aber bedenkt man, wie sehr wir sie deswegen gejagt haben, muß man sagen, es ist eine recht zweischneidige Sache. Wie vieles andere auch.
    Zwanzig Jahre. Wie seltsam es ist, diese Worte zu hören und zu wissen, daß sie stimmen. Sehe ich in den Spiegel, bemerke ich graue Haare. Und Fältchen. Und Weems ist kahl! Kahl wie ein Ei und ganz runzlig hinter der Brille. Wie konnten wir uns nur so verändern, ohne es selbst zu bemerken? Die Zeit ist immer länger und kürzer, als man denkt, normalerweise beides gleichzeitig.
    Zwölf Tage sind eine lange Zeit, wenn man auf eine Antwort wartet. Auch zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Aber irgendwie kommt es mir so vor, als hätte ich mein Zuhause erst letzte Woche verlassen. Ich halte die Kreise sauber, geh wieder und wieder darüber und sehe mir Filme von der Heimat an, bis ich fast selbst glaube, ich könnte mit einem Schritt in diese andere Realität hinübertreten. Doch dann blicke ich immer hinab, und da ist dieser unermeßliche schwarze Korridor von Raum und Zeit, der mich lehrt, daß es nicht mehr so möglich sein wird. Man kann nicht mehr heimgehen.
    Besonders dann nicht, wenn man tausend Astronomische Einheiten von daheim entfernt im All ist. Fast dort, die erste Sprosse der Leiter. Nächsten Donnerstag ist es soweit. Oh, die Champagnerflasche, die schon so lange wartet. Oh, der Parallaxenblick! Ich habe die besten astronomischen Geräte im nahen Erdraum zur Verfügung, dazu einen Blick aufs Universum, wie ihn bisher noch keiner gehabt hat. Ihre Anwendung machte mich zum ersten Astrophysiker, der sich im Weltraum den Doktortitel erwarb. Erzähl von deiner Arbeit.
    Seltsamer Gedanke, daß ich durch eine Maschine ersetzt worden wäre, hätte das Forward Observatorium nicht mehr als tausend Tonnen auf die Waage gebracht. Aber da die Installationen so groß sind, werde ich mit meiner unendlichen menschlichen Flexibilität, selbst mit meinem unendlichen Appetit, zur effizientesten Bedienung. Und je weiter ich herauskomme, desto bedeutender wird meine Fähigkeit zu entscheiden, was geschehen soll, und mich auch danach zu richten. Die erste – und möglicherweise auch die letzte – interstellare Sonde, die bemannt die Reise in die Unendlichkeit antritt … in ein Universum, das nicht vom Dunst und Staub unseres eigenen Systems entstellt wird … ausgestattet mit Augen, die alles sehen, von Gamma bis zu ultralangen Wellenlängen, und Ohren, die der Sphärenmusik lauschen.
    Und Emmylou Stewart, die gefangene Zuschauerin. Unterwegs auf einem Stern … wenn man an der Vorstellung festhält, daß jedes Teilchen reaktionsträgen Materials, das durchs All treibt, das Potential für einen Stern hat. Dunkle Sterne, stählend in ihrem verborgenen Herzen, die nur das Schicksal daran hindert zu scheinen, indem es ihnen die kritische Masse verweigert, die sie dazu benötigen würden.
    Da wir gerade von Masse sprechen: Eben kam der Laserstrahl an, der meiner Masse die nötige Beschleunigung vermittelt, damit ich mich ein wenig rascher bewegen und ein wenig tiefer ins Universum vordringen kann. Blauer Himmel zur Schlafenszeit. Ich war schon immer ein Nachtmensch. Ich bin sicher, daß sie das Sonnensegel nicht entwickelt haben, um Licht wie das des Himmels herauszufiltern – aber es freut mich, daß es so funktioniert. Himmelblau war schon immer meine Lieblingsfarbe, die

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