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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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lehnte sich zurück und massierte seinen schmerzenden Knöchel mit beiden Händen.
    Olefin lachte ernst. „Wie viele Megasekunden hat Himmels Gürtel Ihrer Meinung zufolge noch?“
    Dartagnan betrachtete ihn verständnislos. „Bis wann?“
    „Bis die gesamte Zivilisation zusammenbricht, bis wir uns zu den hundert Millionen gesellen, die während des Bürgerkriegs umgekommen sind.“
    Dartagnan erinnerte sich an Mekka-City, eine von Menschenhand erschaffene Geode im Herzen des Felsens, mit Türmen wie kristallene Gewächse in jeder Farbe des Spektrums. Er versuchte, sich die Stadt als Ort des Todes vorzustellen, scheiterte aber dabei. „Ich weiß nicht, wie es um die Wilden im Hauptgürtel bestellt ist, aber ich sehe keinen Grund, weshalb das Demarchy nicht wie bisher auch weiterfunktionieren sollte.“
    „Nicht …? Nein, wahrscheinlich nicht. Niemand tut das. Ich glaube, niemand will der Unausweichlichkeit des Todes ins Auge sehen. Und wer will ihnen daraus einen Vorwurf machen?“
    „Wir alle müssen eines Tages sterben.“
    „Aber wer glaubt das schon wirklich? Vielleicht liegt es an der Tatsache, daß Esso während des Krieges ausradiert wurde, daß ich buchstäblich als letzter Erbe das Familienvermögen durchbringen kann, daß ich die Wahrheit so deutlich sehe: Die Existenz der Menschheit hier hat ein definitives Ende, und dieses Ende ist absehbar. Da wir eben von Fehlern sprachen – wir haben einen elenden Fehler gemacht, und das war der Bürgerkrieg … und ein Fehler im Himmel zieht ewige Verdammnis nach sich. Verdammnis zum Tode …
    Die Existenz in einem Asteroidengürtel hängt vollkommen von einem künstlichen Ökosystem ab, denn wir müssen alles Lebenswichtige selbst anbauen oder herstellen – Atemluft, Wasser, Nahrung, rein alles. Aber wie bei jedem anderen Ökosystem gilt auch für unseres – vielleicht sogar mehr als für andere – die Faustregel: Wenn man genügend davon zerstört, kann nichts auf Dauer überleben. Es muß zurückweichen oder aber untergehen. Im solaren Asteroidengürtel hatten sie die Erde, zu der sie zurückkehren konnten, wenn es nötig wurde – und dort gab es alles Lebensnotwendige auf natürliche Art. Doch als Himmel kolonisiert wurde, war das noch nie geschehen, und daher sah auch keiner die Notwendigkeit vorher. Als die alten Gürtelbewohner dieses System kolonisierten, waren sie der festen Überzeugung, die hier vorkommenden Rohstoffe – Erze und Mineralien, die gefrorene Gase um Diskus – würden ihnen genügen. Es kam niemandem in den Sinn, daß man eines Tages nicht mehr imstande sein würde, sie zu verarbeiten.
    Aber genau dieser Fall ist eingetreten. Die Schwerindustrie in Himmels Gürtel wurde während des Krieges fast vollständig vernichtet. Was wir noch zur Verfügung haben, ist dem alles andere als ebenbürtig, und wir haben auch keine Möglichkeit, eine neue Industrie aufzubauen oder die Reste zu erweitern. Verdammt, die Ringbewohner können doch bereits jetzt fast nicht mehr überleben, und wenn die untergehen, dann weiß ich nicht, was unsere Destillen tun sollen … Wie lange können Sie den Atem anhalten?“
    Dartagnan lachte unbehaglich. „Aber …“ Er suchte nach einem Gegenargument, konnte aber keines finden – und plötzlich war seine Vision von der Zukunft alles andere als rosig. „Aber … nun gut, vielleicht haben Sie recht, und wir schlittern dem unausweichlichen Ende entgegen … Aber wenn wir nichts unternehmen können, um uns selbst zu retten, warum sollten wir uns dann Gedanken darüber machen? Wir sollten einfach das Beste aus dem machen, was wir noch haben – solange wir es noch haben.“
    „Genau das ist der springende Punkt! Wir können nämlich etwas tun – wenn wir jetzt beginnen, dann können wir eine Kolonie auf Planet Zwei etablieren, um für die Zeit gewappnet zu sein, wenn die Technologie zusammenbricht und das Demarchy uns nicht mehr versorgen kann.“
    „Das verstehe ich nicht.“ Dartagnan schüttelte den Kopf. „Es ist dort doch noch schwieriger zu überleben als draußen im All. Man erfriert doch selbst in einem Anzug schon beinahe. Die Atmosphäre entzieht einem die Wärme, auch wenn die Sonne noch so sehr scheint. Und die Schwerkraft …“
    „Die Schwerkraft hier beträgt nur ein Viertel des Wertes, für den der menschliche Körper ursprünglich geschaffen wurde. Und was die Kälte angeht – unsere Ausrüstung wurde eben nicht dafür konstruiert, aber sie wäre mit Leichtigkeit dafür umzurüsten, wir

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