Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Rahmen gespannter Kunststoff war überall zu sehen und erfüllte jeden Quadratzentimeter der Decke, der Wände, des Fußbodens, denn hier war die Schwerkraft kaum mehr als eine Abstraktion. Die Stadt war ein von Menschen gefertigter Tribut an die Großzügigkeit der Natur und den Reichtum von Himmels Gürtel. Doch das Erscheinungsbild war steril geworden, denn die Natur hatte den Menschen den Rücken gekehrt, jenen verräterischen Menschen, die sich selbst verraten hatten. Chaim sah die von Sekka-Olefin beschworene Zukunft als jähen Alptraum, der jede kristallene Facette, das Gesicht jedes näher kommenden Fremden überschattete … Mein Gott … mein Gott … und ich bin der einzige, der Bescheid weiß! Er riß sich zusammen, sog das Aroma der würzigen Luft ein, was ihm Stärke und Entschlossenheit gab.
    Und dann hob er die Hände, und seine Stimme begann mit dem vertrauten Singsang der Mediengroßmäuligkeit. „Meine Damen und Herren … meine Demarcho-Brüder …“ Es wurde still. „Ich bin sicher, Sie alle kennen und erkennen Demarchos Siamang. Aber er hat einen Wesenszug, den keiner von Ihnen an ihm kennt …“ Er dehnte sein Schweigen aus, bis die Stille um ihn herum vollkommen geworden war, jedes Auge, jede gnadenlose Kameralinse war auf ihn gerichtet, während Siamang nichtsahnend an seiner Seite stand. Er atmete tief durch. „Dieser Mann ist ein Mörder. Er legte eine Strecke von vierhundert Millionen Kilometern zurück, um Kwaime Sekka-Olefin zu retten, aber statt dessen tötete er ihn wegen dieses Behälters mit gestohlenen Computerprogrammen, den Sie in seiner Hand sehen können.“ Er wandte sich um und sah Siamangs Gesicht, seine perfekte Maske ungläubigen Erstaunens.
    Siamangs Augen waren blank vor Wut, einer Wut, die nur er lesen konnte. „Dieser Mann ist ein Psychopath. Ich habe keine Ahnung, wovon er spricht. Ich bekam diese Software durch eine rechtmäßige Geschäftstransaktion von Sekka-Olefin, und er war noch am Leben, als wir ihn verließen …“
    Ein Fremder trat vor und berührte Dartagnans Arm, goldene Augen verlangten nach seiner Aufmerksamkeit. Sie waren beruhigend und analytisch. „Sind Sie Chaim Dartagnan?“
    Chaim nickte erstaunt. Siamang hörte abrupt mit dem Sprechen auf. „Wer, zum Teufel, sind Sie?“
    „Mein Name ist Abdhiamal, ich bin Unterhändler und Verhandlungsführer der Regierung … Demarchos Dartagnan, welche Beweise haben Sie, um Ihre Behauptung zu untermauern?“
    „Hören Sie zu, Abdhiamal“, unterbrach ihn Siamang indigniert. „Keiner ist hier auf eine Einmischung der Regierung erpicht, dies ist ganz einfach ein …“
    „Demarchos Dartagnan hat das Wort“, sagte Abdhiamal liebenswürdig. Er wandte den Blick nie vom Gesicht Dartagnans ab. „Auch Sie werden die Gelegenheit bekommen, sich zu äußern. Dartagnan?“
    Dartagnan hätte fast gelacht, Triumph durchpulste ihn, und eine alles überlagernde Dankbarkeit machte ihn Zappelig. Er wandte seinerseits den Blick nicht von den Linsen der Medienkameras ab – sein Fluch, sein Segen, seine Waffe … „Er hat meine Kamera vernichtet, daher habe ich keine Bildaufzeichnung mehr von dem Mord. Aber er hat mir ein Schmiergeld bezahlt, um den Mord zu decken – hier ist die Kreditgutschrift der Gesellschaft. Sie ist auf meinen Namen ausgestellt.“ Er breitete sie aus und hielt sie hoch, damit sie von Hunderten hungriger Augen hinter den Kameralinsen gesehen werden konnte.
    „Das ist eine Fälschung.“
    „Und dies …“ – Dartagnan öffnete den Metallkragen seiner Jacke – „… ist eine Tonbandaufzeichnung der Transaktion.“ Er preßte den Wiedergabeknopf des Tonbandes, das er unter seinem Anzug verborgen gehabt hatte, und hörte seine eigene Stimme: „… Ich möchte etwas Schriftliches haben – erst dann werde ich meinen Teil erfüllen und Sie von der Mordanklage entlasten.“ Und dann Siamangs „Nun gut, Red.“
    „Es war ein Unfall!“ Siamangs Stimme entglitt seiner Kontrolle. „Ich wollte Olefin nicht töten, es war ein Unfall – aber fragen Sie ihn mal nach Mythili Fukinuki, fragen Sie ihn nach unserer Pilotin! Das war kein Unfall. Er hat sie kaltblütig ermordet, ich konnte ihn nicht daran hindern. Er ist ein Verrückter, ein mörderischer Wahnsinniger …“
    „Mythili Fukinuki ist nicht tot.“ Dartagnan wandte sich um und betrachtete Siamang, der einen Augenblick brauchte, um seine Worte zu begreifen. Er lächelte und wandte sich wieder an Abdhiamal, war selbst überrascht,