Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Handrücken die Augen. „Ich habe dich gehört.“
„Glaubst du mir?“
Sie sah nicht auf. „Ja … ja, nun glaube ich dir, Chaim. Aber warum hast du es überhaupt getan? Wir hätten ihn aufhalten können, wir hätten …“
„ … uns beide töten lassen sollen?“ Scham erzeugte Zorn. „Warum hast du nicht einfach den Mund gehalten, wie ich es getan habe? Dann wäre alles in Ordnung gewesen.“
Ihre Augen blitzten. „Weil ich nicht so bin wie du! Ich weiß, daß es dumm war, nun weiß ich es … Aber ich hätte mich ohnehin nicht verstellen können, er hätte es gemerkt. Ich kann nicht besonders gut verbergen, was ich empfinde.“ Sie biß sich auf die Lippen. „Ich bin nicht so wie du, Chaim.“
Er ließ den Atem geräuschvoll entweichen und wiederholte noch einmal: „Ich bin glücklich, daß es dir gutgeht … Ich sah dich auf dem Bildschirm, sah, wie du den Helm abgenommen hast. Und dann glaubte ich, ich hätte mich getäuscht, du wärst …“
„Das glaubte ich auch.“ Sie lachte, in Erinnerung an die Vergangenheit ein wenig zittrig. „Die Luft war so dünn und so kalt. Ich glaubte, nicht atmen zu können. Ich geriet in Panik und wurde bewußtlos. Der Lärm und die Hitze eures Starts hat mich gerettet, das hat mich geweckt, sonst wäre ich erfroren. Ich konnte mich fast nicht mehr aufrappeln, ich glaubte schon, ich sei bereits tot.“
„Hast du Olefins Schiff repariert?“
„Ja … es ist ein gutes Schiff, ein phantastisches Schiff. Er muß ein Vermögen investiert haben …“
„Das hat er im wahrsten Sinne des Wortes. Für einen Traum.“
„Ich habe seine Leiche mit zurückgebracht, eine nette Gesellschaft auf einer Reise, die drei Megasekunden dauert.“ Sie erschauerte. „Dreieinviertel Megasekunden mit einem toten Mann und frostzerfressenen Lungen und den Erinnerungen … Gott, wie ich dich haßte, Chaim! Wie ich dich haßte … und doch …“ Sie sah ihn nicht an.
„Ich weiß“, sagte er. „Ich weiß. Dreieinhalb Megasekunden mit Siamang und den Erinnerungen. Ich wollte ihn umbringen und lebte ständig in der Angst, er würde mich umbringen. Aber du warst da, das spürte ich, und hast mir geholfen, alles durchzustehen. Du hast mir geholfen zu überleben und alles in Ordnung zu bringen. Ich wollte immer die Wahrheit enthüllen, Mythili, etwas anderes hatte ich nie vor.“
„Also heiligt der Zweck die Mittel, ja?“ Ihre Stimme vibrierte am Rand der Selbstbeherrschung.
Er antwortete nicht, da er es nicht konnte.
„Ich werde keine Klage gegen dich einreichen.“ Sie wandte sich ab.
„Mythili. Geh noch nicht.“ Sie sah ihn wieder an, und er suchte nach Worten. „Was .. was wirst du jetzt tun? Arbeitest du immer noch für Siamang und Söhne?“
„Nein, Siamang Senior hat mich gefeuert, nachdem ich die Beschuldigung vorgebracht hatte.“ Sie lächelte beinahe, ohne es zu wollen. „Ich hoffe, jemand von der Konkurrenz wird mir einen Job anbieten …“ Sie wirkte hilflos. „Nun wirst du also auch kein eigenes Schiff gekommen?“
„Nein.“ Er betrachtete das abgerissene Eckchen des Kreditbriefes, das er immer noch in der Hand hielt. „Jetzt nicht … aber eines Tages wird es mir gelingen. Und wenn ich eines bekomme, dann wünsche ich mir dich als Partnerin. Ich möchte, daß … daß …“ du bei mir bleibst. Seine Gedanken und seine Augen beendeten die Botschaft, aber es war vergeblich.
„,Leb wohl, Rührmichnichtan’“, flüsterte sie. Sie schüttelte den Kopf. Ihre eigenen Augen waren Spiegel der Erinnerung für den Mann, der versucht hatte, sie zu töten, den Mann, der zu gut gelogen hatte. „Ich könnte dir verzeihen, aber wie könnte ich jemals vergessen?“ Ein zorniger Glanz versilberte die Spiegel ihrer Augen, und sie wandte sich wieder ab.
„Mythili, warte!“ Er wühlte in dem Sack mit seinen Habseligkeiten und brachte schließlich den Essayband zum Vorschein. „Warte. Das gehört dir.“ Er hielt ihn ihr hin.
Sie kam zurück und nahm es ihm aus der Hand, ohne ihn dabei zu berühren. Verwirrung und Zorn entstellten ihr Gesicht, als sie den Titel erkannte. „Was hast du damit zu schaffen?“ Schmerz und Kummer. „Schiwa, gibt es denn gar nichts, in dem du nicht herumschnüffelst? Du wirst niemals ein Schiff haben, du wirst dein ganzes Leben lang Medienmann bleiben, denn zu mehr taugst du nicht!“ Sie hätte ihn ebensogut „Strichjunge“ schimpfen können.
„Ich werde ein Schiff bekommen, und wenn es den Rest meines gottverdammten Lebens
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