Bernsteinsommer (German Edition)
Holzleim, sagen Sie rechtzeitig Bescheid, damit ich es Ihnen bestellen kann. Das Versorgungsschiff kommt nämlich nur einmal die Woche“, sagte sie, als sie ihm sein Wechselgeld reichte.
Er nickte. „Ich werde es mir merken, danke, Frau Quint.“
„Magda“, sagte sie knapp und lächelte.
„Danke, Magda“, entgegnete er und ging.
Als Finn den Inselladen verließ, wehte ein kräftiger Nordostwind, der ihm ordentlich das Haar zerzauste. Der Parkplatz, auf dem Finns Auto stand, lag geradewegs gegenüber von Magda Quints Laden. Die Straße dazwischen war kaum befahren und verhältnismäßig schmal. Finn ging hinüber zu seinem Wagen, warf die kleine Papiertüte mit seinen Einkäufen auf den Beifahrersitz und blickte sich noch einmal um. Der Fähranleger, direkt neben dem Parkplatz, lag einsam und verlassen da. Auf der anderen Straßenseite formierten sich die Häuser des Inseldorfes zu einer kleinen Gruppe, die, aus der Luft betrachtet, wahrscheinlich ein unregelmäßiges Oval darstellen würde. Der Gasthof, von dem Magda Quint gesprochen hatte, lag unmittelbar neben ihrem Laden, ein lang gezogenes dreistöckiges Gebäude aus dunklem Backstein. Die unvermeidliche Bierreklame baumelte an einem schmiedeeisernen Haken neben der Eingangstür. Der Haken hatte natürlich die Form eines Ankers. Finn wollte sich gerade abwenden und ins Auto steigen, als sich die schwere Eichentür des Gasthofs öffnete und Kira heraustrat. Sie war in Begleitung eines großen, strohblonden Mannes, der locker einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Finn spürte ein kurzes, aber heftiges Aufflammen von Eifersucht und schüttelte sich innerlich, um dieses unangenehme, vor allem aber unangebrachte Gefühl wieder loszuwerden.
Kira erspähte Finn fast im selben Augenblick. Zu ihrer großen Bestürzung bemerkte sie, dass ihr die Knie ein wenig weich wurden, als sie ihn auf der anderen Straßenseite an seinem Auto stehen sah. Als er ihr knapp zunickte, hob sie ihre Hand und winkte grüßend, bereute diese vertrauliche Geste aber sofort, denn Finn stieg einfach nur in sein Auto und fuhr sofort los.
„Wer ist das?“, fragte Torben Brockmann, der neben ihr stand und ihr nachdenkliches Gesicht betrachtete.
„Äh … das ist Finn Andersen. Er wohnt zurzeit im Martinelli-Haus.“
„Werner hat vermietet?“
„Nein, hat er nicht. Finn erledigt für Werner ein paar Renovierungsarbeiten.“
„Aha. Kennst du ihn aus Hamburg?“
„Nein, ich bin ihm hier zum ersten Mal begegnet. Ich wusste gar nicht, dass er hier auf Sameland ist.“
„Hast du dich bei Werner rückversichert, Kira? Dort oben an der Nordspitze bist du praktisch allein mit ihm.“
„Natürlich, Torben, mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung. Ich habe mit Onkel Werner gesprochen. Finn Andersen ist absolut in Ordnung. Wenn es dich beruhigt, er war sogar mal Polizist.“
„Gut.“ Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. „Kommst du am Samstag?“
„Ich weiß noch nicht. Ich brauche erst mal Ruhe.“
„Ruhe also. Nun gut.“
Ein Lachen stieg in Kira auf. Die Menschen hier waren normalerweise alle keine großen Redner, und Torben Brockmann bildete da keine Ausnahme, ebenso wenig wie sein Zwillingsbruder Olaf. Eine Unterhaltung mit den beiden Männern fiel immer sehr knapp aus und war stets auf das Wesentliche beschränkt. Kira mochte das irgendwie.
„Mach’s gut, Torben. Bis bald dann. Grüße an Olaf und Anna.“
„Mhmm. Tschüss.“
Kaum hatte sie sich von Torben verabschiedet, bemerkte sie, dass der Wind auffrischte und die frühsommerliche Wärme der ersten Tageshälfte endgültig vertrieb. Sogar das unvermeidliche Geschrei der Möwen war kaum noch zu hören. Sie war vorhin den Weg zum Dorf zu Fuß durch die Dünen gegangen, weil sie nach dem Frühstück ein starkes Bedürfnis nach frischer Seeluft verspürt hatte. Nun nahm sie den kürzeren Rückweg über die Straße, weil es zunehmend kälter und windiger wurde. Bis sie an Finns Refugium vorbeikam, war sie schon fast eine volle Stunde unterwegs. Inzwischen hatte sich der Himmel immer mehr verdunkelt, und sie musste ganz schön gegen die aufkommenden Sturmböen ankämpfen. Als sie heute Mittag das Haus verlassen hatte, war es noch ungewöhnlich warm gewesen, und deshalb trug sie nur ein leichtes, hauchdünnes Twinset aus Baumwolle. Jetzt war ihr lausig kalt, denn zu allem Überfluss fielen nun auch noch dicke Tropfen vom Himmel.
Finn blickte aus dem Fenster im Küchenbereich und sah Kira die Straße
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