Bernsteinsommer (German Edition)
und auch stets in vollen Zügen genossen hatte, dass die meisten Frauen ihn begehrlich ansahen, stand hier wie ein hirnloser Idiot auf einem Deich und konnte den Blick nicht von dieser einen Frau abwenden. Er war völlig verrückt nach dieser Nixe.
Das Fluchen wird langsam zu einer neuen Angewohnheit, dachte er grimmig.
Allein ihr Anblick versetzte ihn schon in einen bejammernswerten Zustand. Seine Fantasie ging völlig mit ihm durch. Und er war zutiefst erleichtert, als sie sich schließlich umdrehte, im Haus verschwand und somit den Bann brach. Finn rührte sich noch immer nicht von der Stelle. Er war psychisch ebenso erregt wie physisch und deshalb verdammt wütend auf sich selbst. Vielleicht sollte er Edgar Lengrien doch bitten, jemand anderen herzuschicken, überlegte er. Aber dann verwarf er den Gedanken sofort wieder. Edgar würde es nicht verstehen. Außerdem wollte er, Finn, niemand anderem mehr diese Aufgabe überlassen.
Sie gehört mir!
Er musste schlucken, als ihm klar wurde, was er da dachte, und er fragte sich sofort, ob er sich tatsächlich am Rande einer ausgewachsenen Psychose befand. Finn wusste selbst nur zu genau, dass er keinem Menschen je eine ernsthafte Beziehung mit ihm zumuten würde. Das wollte er niemandem antun, und Kira schon gar nicht, denn, von ihrer sexuellen Anziehungskraft einmal ganz abgesehen, mochte er sie auch noch. Er mochte sie wirklich. Ungeachtet dessen würde sie ihm jedoch sowieso niemals gehören. Sie spielte nicht in seiner Liga. Undsie würde ihn gnadenlos, ja, mit Schimpf und Schande fortjagen, sollte sie je erfahren, wer er wirklich war – und was er wirklich war. Darauf wäre Finn jede Wette eingegangen.
Bedrückt wandte er sich schließlich ab und machte sich wieder auf seinen Weg zur Nordspitze der Insel. Es interessierte ihn, ob Magda Quint recht behielt und er sich besser fühlen würde, wenn er dort eine Weile aufs Meer gestarrt hatte.
Finn ahnte nicht, dass sich zur gleichen Zeit noch ein anderer Mann im Norden der Insel aufhielt und sowohl ihn als auch Kira beobachtet hatte.
Der andere Mann stand im Schatten einer kleinen Baumgruppe, unweit von Kiras Haus entfernt. Er fluchte stumm in sich hinein, seit Finn Andersen wieder aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Es war nicht zu übersehen gewesen, wie gebannt Finn dort oben auf dem Deichrücken gestanden und Kira angestarrt hatte, und das brachte ihn, den anderen Mann, schier um den Verstand vor Wut.
Dieser fremde Kerl aus dem Martinelli-Haus störte ihn gewaltig. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Sein ursprünglicher Plan wäre viel unkomplizierter umzusetzen gewesen, wenn er hier, im Norden der Insel, mit Kira Lengrien ganz allein gewesen wäre. Jetzt musste er umdenken und aufpassen, dass er nicht entdeckt wurde. Schließlich war er unterdessen ganz auf sich allein gestellt, und das machte die Sache nicht unbedingt einfacher.
Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, während er durch das große Terrassenfenster die schöne rothaarige Frau beobachtete, die nun seltsam unruhig und mit auffallend fahrigen Bewegungen im Untergeschoss ihres Hauses hin- und herlief und hier und da etwas zurechtrückte, bis sie sich schließlich selbst die nackten Oberarme rieb und dann im Obergeschoss verschwand, und damit auch aus seinem Blickfeld.
Der Mann atmete tief ein, und seiner Kehle entglitt ein leises Stöhnen. Sekundenlang gestattete er sich die Vorstellung von Kira Lengrien, die wahrscheinlich gerade in ihrem Schlafzimmeroder in ihrem hübschen kleinen Badezimmer stand und sich das durchscheinende Nachthemd über den Kopf zog, das sie soeben noch getragen hatte. Aber dann schüttelte er diese viel zu aufreizenden und irritierenden Gedanken wieder ab. Es wird Zeit, dachte er bei sich, ich muss meinen Plan noch einmal sorgfältig überdenken, damit nichts schiefgeht. Er durfte und wollte in dieser Sache nichts dem Zufall überlassen.
Zwanzig Minuten nachdem Kira wieder in ihrem Haus verschwunden war und er seinen Weg fortgesetzt hatte, genoss Finn bereits den wahrlich atemberaubenden Anblick, den die Ladeninhaberin ihm versprochen hatte. Selbst die harten Gräser der Dünen hatten es in dieser ursprünglichen Gegend schwer und wuchsen nur noch spärlich. Sameland schloss hier oben in einer Art Felsenlandschaft ab, die in einer spitz zulaufenden Form kahl und nahezu weiß im Meer endete. Fast wirkte es, als würde hier der große Bug eines gesunkenen Ozeanriesen aus dem Wasser ragen. Ohne Frage
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