Bernsteinsommer (German Edition)
leicht an der Hüfte. Kira trat einen Schritt zur Seite, um ihm Platz zu machen, und sah dabei direkt in sein Gesicht. Für einen winzigen Moment blieben ihre Blicke aneinander kleben, aber dann drehte Kira ihren Kopf weg und griff nach dem Pastatopf.
„Lass nur, ich kann die Nudeln doch abgießen“, sagte er.
„Nein, nein, kümmere du dich um den Wein“, erwiderte sie, ohne ihn noch einmal anzusehen.
Das Essen verlief ruhig, und sie sprachen nur wenig miteinander. Finn aß mit großem Appetit, auch wenn sein eigentlicher Hunger etwas ganz anderem galt. Fasziniert verfolgte er nebenher fast jeden Bissen, den Kira sich in den Mund schob. Das Geschehen erinnerte ihn doch ziemlich stark an ihren ersten gemeinsamen Abend. Als er beobachtete, wie sie sich Soße von den Lippen leckte, hätte er beinahe laut aufgestöhnt. Kira sah indessen kaum in sein Gesicht, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf die Mahlzeit – und selbst wenn ihr Blick ihn kurz streifte, ließ sie nicht erkennen, ob ihr bewusst war, was in ihm vorging.
„Das war richtig gut“, sagte er, als er seinen leeren Teller ein Stück zurückschob und ihnen Wein nachschenkte.
„Danke, freut mich, dass es dir geschmeckt hat.“ Kira lächelte, und Finn versuchte, einfach nur das warme Gefühl zu genießen, das ihr lächelnder Mund wieder einmal in ihm auslöste – ohne dabei auf das erneute Pochen einer bestimmten Region seines Körpers zu achten. Natürlich schaffte er das nicht. In Gedanken stieß er einen deftigen Fluch aus, aber auch das half nichts.
„Nimm du doch unsere Gläser schon mit ins Wohnzimmer,ich räume hier schnell auf“, bot er ihr an. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es langsam notwendig wurde, sich zumindest ein paar Minuten mal nicht in einem Raum mit Kira aufzuhalten. Er brauchte dringend körperlichen Abstand zu ihr, wenn er auch diesen Abend irgendwie überstehen wollte.
Kira saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und nippte an ihrem Wein, während Finn die Küche wieder in Ordnung brachte.
Natürlich war es ihr nicht entgangen, wie Finn sie während des Kochens, aber besonders während ihres gemeinsamen Essens ansah. Sie war schließlich kein unerfahrener Teenager mehr; zudem – das musste sie sich eingestehen – waren ihr seine individuellen Reaktionen und die besondere Art seiner Blicke inzwischen sehr viel vertrauter als noch zu Beginn ihrer Bekanntschaft.
Dass sie ihm sein Verlangen dieses Mal so deutlich ansehen konnte, hatte Kira überraschenderweise eher geholfen, ihre eigenen Empfindungen besser im Griff zu behalten. Und doch sehnte sie sich nahezu verzweifelt nach seinen Berührungen, daran gab es keinen Zweifel. Dabei war es ihrem Seelenfrieden nicht unbedingt zuträglich, dass er offensichtlich genauso fühlte. Innerlich ging sie ziemlich hart mit sich und ihrer allgegenwärtigen Sehnsucht ins Gericht. Zweifellos war es sehr viel besser für sie, gar nicht erst zu vergessen, dass Finn auf der Insel nur eine Rolle gespielt hatte, für die er von ihrem Vater bezahlt worden war. Okay, er war auch nur ein Mann – zugegeben, ein außerordentlich attraktiver, der es sicherlich gewohnt war, die Frauen immer sehr schnell ins Bett zu bekommen, wenn ihm gerade danach war. Kira hatte schließlich auch von Anfang an bemerkt, dass er sie begehrte. Schlimm war nur, dass sie selbst sich leidenschaftlich und rasend in den Finn verliebt hatte, der ihr auf Sameland erschienen war. Es fiel Kira nicht leicht, sich klarzumachen, dass das alles nur eine Rolle gewesen sein sollte, die sich der echte Finn Andersen übergestreift hatte wie eines seiner eng anliegenden T-Shirts.
Nein, sie würde sich bestimmt keinen Gefallen damit tun,noch ein weiteres Mal ihren Begierden nachzugeben. Sie sollte viel eher zusehen, dass sie sich endlich den Mann aus dem Kopf schlug, in den sie sich verliebt hatte – denn den gab es letztlich ja überhaupt nicht. Finn hatte ihr diesen Mann nur vorgespielt, das durfte sie keine Sekunde vergessen.
Als sie seine Schritte hinter sich hörte, setzte sie sich unweigerlich ein bisschen aufrechter hin. Finn ging um den Couchtisch herum und griff schon im Gehen nach seinem Glas, dann ließ er sich in einen der beiden einzeln stehenden Sessel fallen. Er hatte denjenigen gewählt, der direkt zu ihrer Linken stand, sodass ihre Knie sich nun fast berührten. Hätte es nicht so albern gewirkt, wäre Kira gerne ein Stück zur Seite gerückt, um sich weiter von ihm zu entfernen, aber natürlich blieb sie auf
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