Bernsteinsommer (German Edition)
hingegen war schon damals nicht sehr romantisch veranlagt gewesen. „Du meinst also, er war vollkommen anders als du?“
Auch Finn schmunzelte. „Stimmt leider. Mike war ein Liebling der Lehrer, hatte den richtigen Haarschnitt, besuchte brav die Tanzschule und seine Umgangsformen waren im Gegensatz zu meinen nahezu perfekt. Als wir schließlich zusammen Abitur machten, war ich der festen Überzeugung, dass Mike Grendler sozusagen der Prototyp des totalen Langweilers wäre, doch darin hatte ich mich gründlich getäuscht.“ Finn lachte kurz und dunkel auf. „Allerdings merkte ich das erst, als er – von mir absolut unerwartet – wieder eine Klasse mit mir teilte, und zwar auf der Polizeischule. Unsere Annäherung begann zuerst schleichend. Ich lachte plötzlich über seine Witze und sah mich immer mehr mit der Tatsache konfrontiert, dass ich den angeblichen Langweiler überhaupt nicht mehr langweilig, sondern im Gegenteil sogar ungemein unterhaltsam und interessant fand. Immer wieder gerieten wir in Situationen, in denen wir plötzlich lange und sehr gute Gespräche führten. Wir wurden auch im Dienst ständig zusammen eingeteilt, weil unsere Vorgesetzten der Meinung waren, Mike und ich wären nun einmal das perfekte Team auf Streife – irgendwie stimmte das ja auch. Mit anderen Worten: Schon im zweiten Jahr unserer Ausbildung war Michael Grendler mein bester Freund.“
Finn machte eine kleine Pause und sah ihr ernst ins Gesicht. „Ich erzähle dir das, damit du die ganze Geschichte kennst und richtig einordnen kannst, was später passiert ist. Ich hoffe, ich langweile dich nicht.“
„Nein, im Gegenteil, Finn“, entgegnete Kira schnell. „Ich finde deine Erzählung sogar sehr interessant.“
„Gut.“ Er erhob sich. „Ich brauche allerdings etwas zu trinken. Willst du auch ein Glas Wasser?“
„Ja, sehr gerne.“
Er ging kurz hinüber in die Küche und kam dann mit zwei Gläsern und einer großen Flasche Mineralwasser zurück. Nachdem er ihnen eingeschenkt und selber einen großen Schluck getrunken hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und setzte seinen Bericht fort: „Nach unserer Ausbildung blieben wir noch einige Zeit bei der Bereitschaftspolizei, um uns erst einmal zu orientieren, doch dann kamen wir recht bald zu dem Schluss, dass wir beide bei der Kripo viel besser aufgehoben wären als bei der Schutzpolizei. Also machten wir zusammen die entsprechenden Lehrgänge und landeten schließlich an der gleichen Dienststelle. Auch dort steckten uns unsere Vorgesetzten recht schnell in ein gemeinsames Büro. Tja, und dann drückte unser damaliger Chef uns diese süße Praktikantin aufs Auge.“ Finn lächelte bei der Erinnerung in sich hinein. „Lena war so ein bisschen der klassische Schneewittchen-Typ. Lange dunkle Haare, wunderschöne silbergraue Augen, helle Haut, klein und sehr zierlich gebaut. Wir verknallten uns beide auf Anhieb in sie.“
Kira lächelte. „Du hast ja schon einmal von Lena erzählt. Ein Wunder, dass eure Freundschaft das überstanden hat.“
Finn schüttelte seinen Kopf. „Unsere Freundschaft war niemals wirklich in Gefahr – und, ja, irgendwie ein Wunder, wenn ich genauer darüber nachdenke. Mike und ich haben uns von Anfang an nichts vorgemacht und kamen sehr schnell überein, dass wir einfach Lena die Entscheidung überlassen sollten. Allerdings versprachen wir uns auch hoch und heilig, dabeiimmer fair zu bleiben, wenn du weißt, was ich meine.
Die erste Zeit mit Lena war ziemlich lustig, muss ich zugeben. Wir machten irgendwie alles zu dritt. Essen, ausgehen, arbeiten. Mike und ich schleppten Lena durch sämtliche Nachtklubs der Stadt und tanzten abwechselnd mit ihr. Nicht nur unsere Kollegen fingen bald an, heftig über uns drei zu tuscheln. Als sich dann doch irgendwann herausstellte, dass sie mich offensichtlich anziehender fand, zog Mike sich sofort aus dem Rennen zurück.“
„Du warst also tatsächlich mit Lena liiert, bevor sie Mike geheiratet hat?“, fragte Kira überrascht.
Finn nickte. „Ja, allerdings nur ganz kurz. Wir gingen einige Male zusammen aus, alles sah perfekt aus. Ja, und dann machte ich wohl den entscheidenden Fehler, denn ich versuchte schon nach wenigen Tagen, sie ins Bett zu kriegen. Natürlich scheiterte ich erbärmlich, denn sie ließ mich abblitzen. Lena war einfach nicht der Typ, der sich so leicht und vor allem so schnell verführen ließ. Ich war damals noch viel zu unerfahren, um das zu erkennen. Was soll ich sagen,
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