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Bernsteinsommer (German Edition)

Bernsteinsommer (German Edition)

Titel: Bernsteinsommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schomann
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es folgte eine Riesenszene: Ich war frustriert und sagte die falschen Dinge, benahm mich in ihren Augen also vollkommen daneben, sie schimpfte wie ein Rohrspatz, war gnadenlos von mir enttäuscht und weinte sich letztlich bei Mike aus. Das war es dann mit Lena und mir.“ Wieder stieß er dieses kurze Lachen aus.
    „Sie war also noch Jungfrau“, folgerte Kira.
    Finn nickte. „Ja, und ich Idiot bin rangegangen wie ein brünstiger Hirsch und konnte überhaupt nicht nachvollziehen, warum sie nicht so wollte wie ich. Ich sag ja, damals war ich noch ziemlich grün hinter den Ohren. Die Erfahrungen, die ich vorher gemacht hatte … nun ja … mit einem unschuldigen Mädchen wie Lena hatte ich zu dem Zeitpunkt jedenfalls noch keine Beziehung.“ Er zwinkerte und zog einen Mundwinkel in die Höhe. „Mike machte hingegen wie immer alles richtig. Er und Lena haben sich sehr vorsichtig und langsam einander angenähert. Zunächst habe ich mich ein bisschen rargemacht, aber nach einer Weile kam dann auch alles wieder in Ordnungzwischen Lena und mir. Schon kurz nach ihrer Hochzeit bezeichnete auch sie mich schließlich als ihren besten Freund – und über unsere kurze Liaison haben wir alle drei niemals mehr gesprochen. Ich war sehr froh darüber, das muss ich zugeben.“
    Fasziniert folgte Kira weiterhin seinen Ausführungen, auch als Finn langsam dazu überging, ein paar Anekdoten aus dem gemeinsamen Berufsleben in seinen Bericht mit einzuflechten. Finn erzählte sehr anschaulich, und ihr wurde deshalb auch schnell klar, wie tief die Verbindung der beiden Männer tatsächlich gewesen sein musste und wer von ihnen der Willensstärkere gewesen war – vor allem, nachdem Mike eine richtige Familie gegründet hatte.
    Finn sprach von der Geburt von Jonas Grendler, seinem späteren Patenkind, und wie er auch dabei nicht von der Seite seines Freundes gewichen war. Er berichtete Kira von gemeinsamen Familienfesten, von komplizierten Kriminalfällen, die er und Mike zusammen gelöst hatten, aber auch von den kleinen Streitereien und diversen gefährlichen Einsätzen. Zwischendurch machte er manchmal kurze Pausen, um etwas zu trinken. Einmal ging er sogar hinaus auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen, aber er nahm seinen Bericht auch immer sofort wieder auf. Kira spürte, wie gut es ihm tat, dass sie kaum Zwischenfragen stellte, sondern einfach nur interessiert und geduldig zuhörte.
    Als er ihr schließlich in allen Einzelheiten den Todestag von Michael Grendler schilderte, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Anfangs bemerkte er es nicht einmal, weil er für einige Zeit gedanklich vollkommen in die Vergangenheit eingetaucht war. Doch dann sah er sie weinen und erschrak ein wenig.
    „Oh, ich Idiot! Kira, nicht!“ Seine Hand schob sich über ihre und drückte sie sanft. „Das wollte ich nun wirklich nicht“, flüsterte er etwas hilflos.
    Kira entzog ihm vorsichtig ihre Hand und schüttelte den Kopf, dann wischte sie sich mit beiden Handballen die Tränen von den Wangen und versuchte sich an einem Lächeln. „Es istschon gut, das musste einfach raus“, schniefte sie. „Wie hast du das nur all die Jahre ertragen, Finn?“
    „Frag nicht. Ich bin durch die Hölle gegangen – zumindest bis vor einigen Tagen“, entgegnete er.
    „Wieso, was ist denn da passiert?“
    Finn erzählte ihr von dem entscheidenden Gespräch mit Lena Grendler und von den entlarvenden Fotos. Kiras Tränen begannen erneut zu fließen.
    „Meine Güte, Mädchen, wenn ich gewusst hätte, wie sehr dich das umhaut …“
    „Oh Finn, das ist alles so schrecklich traurig!“, schluchzte sie. „Du hast dir jahrelang die schwersten Vorwürfe gemacht, und jetzt so was.“
    Er erhob sich kurz, griff nach einer Packung mit Papiertaschentüchern, die auf dem Schreibtisch neben seinem Laptop lag, und reichte sie ihr.
    „Danke“, sagte sie lächelnd.
    „In Bezug auf Mike geht es mir jetzt eigentlich ganz gut“, sagte er schlicht. „Ich meine natürlich nicht, dass Mike tot ist. Er fehlt mir noch immer, jeden Tag, aber … irgendwie hat sich in mir doch eine Art Knoten gelöst, seit Lena mir diese Fotos gezeigt hat. Die grauenvollen Bilder in meinem Kopf belasten mich jedenfalls nicht mehr so sehr wie zuvor, und die Schuldgefühle sind fast gänzlich verschwunden. Das ist doch schon mal was.“ Er musste schmunzeln, als sie sich geräuschvoll die Nase schnäuzte.
    „Kaffee?“, fragte er, nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen hatten.
    Kira nickte.

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