Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
führe, würde »auf diese Weise die Integrität des gesamten gemeinnützigen Sektors unterminiert«. Fleishman warnte vor einer »Katastrophe« für die deutsche Stiftungslandschaft und davor, dass eine solche Abhängigkeit »das Gemeinwohl unvermeidlich verwässert«. Fleishman kritisierte, es könnte »im Interesse des Unternehmens liegen, die Dividenden möglichst gering zu halten, um die auf diese Weise eingesparten Beträge für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder die Expansion des Unternehmens zu verwenden, beispielsweise durch den Erwerb anderer Firmen.« Genau das macht Bertelsmann. Fleishman machte deutlich, dass er es »bemerkenswert« findet, dass der Zweck des Unternehmenserhalts, so wie Mohn ihn festgelegt hat, »weder als problematisch noch in irgendeiner Weise als unehrenhaft gilt«. 1
Fleishman argumentierte, wenn eine Stiftung ein Unternehmen wirklich im Sinne der Allgemeinheit besitzt, dann müsse ihr erlaubt sein, das Unternehmen zu verkaufen. Andernfalls stehe ein privates Interesse im Vordergrund. Genau das zeigt sich im Falle von Bertelsmann. Als die Familie Mohn 2005 das Unternehmen Bertelsmann drängte, sich zu verschulden, um den 25-Prozent-Anteil des belgischen Investors Albert Frère zurückzukaufen, war dies nur möglich, weil die Stiftung als Aktionär so genügsam sei, wie das Unternehmen damals betonte. Das Unternehmen konnte die Verschuldung also nur tragen, weil die Stiftung beziehungsweise die Allgemeinheit diese Verschuldung mittrug. Der Rückkauf lag aber in erster Linie im Interesse des Unternehmens und der Eigentümerfamilie.
Als Fleishman die Konstruktion kritisierte, verwies Volker Then von der Bertelsmann Stiftung auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen: Während man in den USA Sorge trage, dass die Stiftung und damit die Allgemeinheit einen möglichst großen Betrag für gemeinnützige Zwecke einsetzen kann, stehe in Deutschland der Stifterwille und seine Sicherung für die Ewigkeit im Vordergrund. Während in den USA verhindert werden solle, dass der Stifter mittels einer Stiftung Einfluss auf ein Unternehmen nehmen könne, würden Stiftungskonstruktionen in Deutschland den Stiftern genau diesen Einfluss ermöglichen. Stifter kontrollieren und lenken über eine Stiftungskonstruktion ihre Unternehmen. Der Gemeinnutz steht an zweiter Stelle. Aber warum nicht von den USA lernen?
Fleishman hat Einblick in die Praxis in den USA und in Deutschland und nannte ein weiteres Problem, das die Bertelsmann Stiftung betrifft, für das man sie allerdings nicht verantwortlich machen könne. Sowohl in den USA als auch in Deutschland könnten sich Stiftungen der Kontrolle durch die Öffentlichkeit entziehen und operierten, ohne der Allgemeinheit echte Rechenschaft abzulegen, kritisierte Fleishman. »Im Grunde sind die Vorstände von Stiftungen niemandem rechenschaftspflichtig.« Eine Stiftung sei ihrem Wesen nach »eine im Grunde nicht rechenschaftspflichtige Institution«. Niemand könne einen Stifter absetzen oder abwählen oder die Entscheidungen von Gremienmitgliedern hinterfragen. Die Finanzbehörden besäßen zwar theoretisch das Machtpotenzial, Rechenschaft einzufordern, Fleishman kommt aber zu einem desillusionierenden Ergebnis: »Diese Kontrollfunktion wird so schwach ausgeübt, dass es in Wirklichkeit kaum eine echte Rechenschaftspflicht gibt.«
Vorstandsmitglied Werner Weidenfeld sagte 1996: »Die Bedeutung von Stiftungen für moderne Gesellschaften kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Stiftungen sind ein Grundbestandteil der civil society, der Bürgergesellschaft, und sie sind ein Fundament demokratischer Ordnung.« Wenn Gesellschaften unter großem Problemdruck verkrampften, verkarsteten und Reformen abblockten, richte »sich der Blick geradezu naturnotwendig auf jene unabhängigen Instanzen, die Anstoß zum Wandel geben können. Operative Stiftungen, die sich als Kreativzentren zur Problemlösung verstehen, erhalten damit heute eine Schlüsselrolle für die politische Kultur unseres Zusammenlebens.« 2
Doch wie demokratisch muss eine Stiftung sein, die Einfluss auf die Demokratie nimmt? Eine Stiftung wie die Bertelsmann Stiftung ist das Gegenteil von Demokratie: Sie ist niemandem verantwortlich, legt keine Rechenschaft ab, ist in den entscheidenden Macht- und Finanzfragen intransparent und sie beantwortet nur Fragen, die sie selbst stellt. Der Stifter und seine Erben bestimmen alleine und das bis in alle Ewigkeit. Das ist ein Defizit, das einer
Weitere Kostenlose Bücher