Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
Vom Netzwerk:
gehen, wie sozialer Zusammenhalt und Chancengleichheit in Zukunft verwirklicht werden können«.
    Bürger würden jenseits der herkömmlichen politischen Beteiligungsformen über Parteien, Verbände, Gewerkschaften und Vereine an der politischen Willensbildung beteiligt. Das Bürgerforum 2011 sei das bisher größte Bürgerbeteiligungsprojekt in Deutschland. Wie seine Vorgänger bedankte sich Horst Köhler bei Stiftungen für die finanzielle Unterstützung mit freundlichen Worten: »Stiftungen sind unabhängig und können auch einmal im positiven Sinne widerspenstig sein,« sagte er 2009 der Fachzeitschrift Stiftung und Sponsoring , die ihn in dem Interview als »überzeugten Förderer der Stiftungsidee« ansprach. 4 Das mag schlicht daran liegen, dass die Stiftung Dinge ermöglichen – also finanzieren – kann, die dem Bundespräsidenten nicht möglich wären.
     
    Was immer Carstens und seine Nachfolger sagten, ist folglich teilweise Ausdruck von Dankbarkeit. Dabei finanziert die Stiftung ihre Projekte mit Geld, das zumindest zum Teil – wäre es nicht in der Stiftung ausgeschüttet – als Steuerabgabe der Allgemeinheit zugute käme. Einfluss nehme der Stifter, so Carstens, »aber im positiven Sinn und dort, wo er Schwachpunkte erkennt. Es gibt kaum etwas Schöneres, als in einer freien Gesellschaft einen Teil des eigenen Vermögens Zwecken zu widmen, denen der Stifter Vorrang vor anderen einräumen möchte. Mäzenatentum gilt seit alters her als eine der nobelsten Haltungen des Menschen. Mir scheint, dass gerade Demokratien hierauf nicht verzichten können. Die Demokratie ist auf das mutige Beispiel einzelner besonders angewiesen. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern wichtig, dass eine breite Öffentlichkeit von der Stiftungsarbeit in unserem Lande Kenntnis nimmt und von der segensreichen Wirkung, die mit ihrer Hilfe entfaltet wird.« 5

Durch Deutschland muss ein Ruck gehen
    Samstag, 26. April 1997. Berlin feiert den 77. Geburtstag von »Groß-Berlin«. Im Adlon, das im August eingeweiht werden soll, hat die Marketinggesellschaft »Partner für Berlin« 220 Persönlichkeiten »aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur« versammelt und der Bundespräsident ruft zum »Aufbruch ins 21. Jahrhundert« auf. Herzog, seit 1994 im Amt, ist der beliebteste Deutsche, noch vor den Sportlern Henry Maske und Michael Schuhmacher. In seinem Kommentar zum Grundgesetz hatte der Staatsrechtler Herzog einst geschrieben, der Bundespräsident sei »kein Frühstücksdirektor« und »kein politisches Nichts«. Nun, da er selbst Bundespräsident geworden ist, will er seinen Worten Taten folgen lassen. Seine Tat – das ist die Ironie der Macht des Bundespräsidenten – ist eine Rede.
    Herzog beginnt: »Ich freue mich, heute Abend im Hotel Adlon zu Ihnen zu sprechen.« Das neue Adlon, so viel ist schnell klar, hat für den Bundespräsidenten Symbolwert. Es sei gebaut »an einer Stelle, an der über Jahrzehnte die Wunden des Krieges klafften«: Aber jetzt, hier und heute, sagt Herzog, würden in Berlins Mitte, der größten Baustelle Europas, die Konturen der neuen deutschen Hauptstadt sichtbar. »In Berlin wird Zukunft gestaltet. Nirgendwo sonst in unserem Land entsteht soviel Neues. Hier spürt man: Wir können etwas gestalten, ja sogar etwas verändern. Einen neuen Aufbruch schaffen, wie ihn nicht nur Berlin, sondern unser ganzes Land braucht. Ich wünsche mir, dass von dieser Berlin-Erfahrung Impulse auf ganz Deutschland ausgehen.«
    Herzog spricht von Asien, wo er gerade herkomme und eine »unglaubliche Dynamik« verspürt habe. In Deutschland dagegen herrsche überwiegend Mutlosigkeit. »Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.« Er diagnostiziert »die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression«. Dabei stehe das Land »wirtschaftlich und gesellschaftlich vor den größten Herausforderungen seit fünfzig Jahren: 4,3 Millionen Arbeitslose, die Erosion der Sozialversicherung durch eine auf dem Kopf stehende Alterspyramide, die wirtschaftliche, technische und politische Herausforderung der Globalisierung.«
    Dann kommt Herzog zum Kern des Themas: Reformen. Pessimismus sei das allgemeine Lebensgefühl. »Das ist ungeheuer gefährlich; denn nur zu leicht verführt Angst zu dem Reflex, alles Bestehende erhalten zu wollen, koste es, was es wolle. Eine von Ängsten erfüllte Gesellschaft wird unfähig zu Reformen und damit zur Gestaltung der Zukunft … Uns fehlt der Schwung zur

Weitere Kostenlose Bücher