Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
unterschiedlich ihre politischen Ansichten sonst sein mögen (Rawert steht der CDU nahe). Vollmer war verstimmt, dass die Bertelsmann AG ihrer Stiftung nur geringe Dividenden ausschüttet. Sie hatte viele Jahre in Bielefeld gelebt und sich darüber geärgert, »dass Bertelsmann nie etwas getan hat für das Literaturhaus in Bielefeld, sondern Förderanträge stets ablehnte. Mit dem Geld der Leute aus dieser Gegend ist doch der Lesering groß geworden.«
Rawert und Vollmer wendeten sich vor allem gegen sogenannte Doppelstiftungen. Damit ist gemeint, dass Stifter zwei Stiftungen gründen, davon ist eine gemeinnützig, die andere nicht. Auf die nicht gemeinnützige Stiftung überträgt der Stifter nur einen kleinen Anteil an seinem Unternehmen. Den Löwenanteil erhält hingegen die gemeinnützige Stiftung. Allerdings wird deren Stimmrecht ausgeschlossen und die unternehmerische Leitungsmacht allein bei der nicht gemeinnützigen Stiftung gebündelt. Stimmrechte und Beteiligungsumfang gehen also auseinander. Damit werden Erbschaftsteuer-Spareffekte erzielt. Aber mehr noch: Aus der steuerpflichtigen Stiftung mit dem geringen Kapital, aber hohen Stimmanteil kann das Unternehmen im Interesse des Stifters geführt werden, ohne dass die Gemeinnützigkeit der anderen Stiftung in Gefahr gerät. Das ist in etwa das Modell von Bertelsmann, nur dass Reinhard Mohn eine sogenannte Verwaltungsgesellschaft anstelle der privatnützigen Stiftung konzipiert hat.
Wenn man in Gütersloh auf Vollmers Angriff nicht mit Panik reagierte, dann lag es schlicht daran, dass die Grünen 1997 nicht an der Regierung waren. Ihre Gesetzeseingabe traf auf eine konservative Mehrheit aus CDU/CSU und FDP, die das Stiftungswesen als ihr Thema verstand. Eines aber tat der Gesetzesvorstoß von Antje Vollmer. Er brachte eine Debatte in Gang und genau das fürchteten die großen Stiftungen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen lehnte den Entwurf deshalb durchweg ab, erinnert sich Mecking. Die Mitglieder des Verbandes waren mit den bestehenden Rahmenbedingungen zufrieden und lehnten generell eine Reform ab. Sie hielten es für möglich, dass neue Regelungen neue Stifter anziehen würden. Vor allem aber fürchteten sie, dass alle Stiftungen einen Preis dafür zahlen müssten, wenn die Öffentlichkeit mehr Rechenschaft fordern würde, sagt Mecking. Was, wenn die Öffentlichkeit die Legende vom selbstlosen Wohltäter nicht mehr widerspruchslos hinnimmt?
Auch die Bertelsmann Stiftung sah Vollmers Vorschläge »als bedenklich und gefährlich« an, erinnert sich Mecking. Der Bundesverband versuchte, in Bonn Politiker von der Notwendigkeit der unternehmensnahen Stiftung und dem Modell der Doppelstiftung zu überzeugen und Mecking geht davon aus, dass Bertelsmann ähnliche Lobbyversuche unternommen hat.
Die Stiftung machte sich das Thema Stifterreform auch noch auf eine andere Art zu eigen: Im Dezember 1998 startete sie – gemeinsam mit Rupert Graf Strachwitz und seinem Maecenata Institut, einer Dienstleistungs- und Beratungsgesellschaft für Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen – eine »Expertenkommission zur Reform des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechts«. Die Kommission wurde »nicht als feste Gruppe von Mitgliedern, sondern als Folge von offenen Gesprächsrunden konzipiert«, an der in den folgenden Jahren mehr als hundert Fachleute aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Praxis teilnahmen. Die Ergebnisse wurden fortlaufend in einem Sammelband zusammengefasst. Im Bundestag berieten unterdessen zum selben Thema die Abgeordneten über Gesetzesentwürfe der Regierung aus Grünen und SPD sowie der Oppositionsparteien FDP und CDU/CSU. Auch sie führten Anhörungen durch und hielten Expertensitzungen ab. Ergebnis dieser ersten Phase waren verbesserte steuerliche Bedingungen für Stifter. Im Gegenzug sollten Stiftungen in einer weiteren Stufe zu Transparenz verpflichtet werden. Außerdem wollte Vollmer Fehlentwicklungen bei unternehmensverbundenen Stiftungen ausmerzen. Doch dazu kam es nicht. Warum wurde die Reform zum Reförmchen? Die folgenden Ereignisse geben eine Antwort.
Von der Reform zum Reförmchen
Während Strachwitz darauf drängte, dass auch Vollmer und Rawert an den Kolloquien der Bertelsmann Stiftung teilnehmen, ging das Interesse der Stiftung offensichtlich nicht so weit, deren Position zu verbreiten. Jedenfalls findet sich in den Materialien der Stiftung kein ausführliches Skript über ihren Reformansatz. Stattdessen brachte
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