Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
keine Rolle spielte, kommen heute als Nachfolger nur mehr der Ehegatte oder Abkömmlinge infrage. Das heißt, die Stiftung bleibt praktisch immer in der Kontrolle der Familie. Es ist eine gemeinnützige Stiftung, die der Familie Mohn bis in alle Ewigkeit gehört.
Der wahre Stiftungszweck ist in § 18 versteckt, der die Verfügung über Anteile an der Johannes Mohn GmbH regelt. Zur Erinnerung: Die BVG hält über die Johannes Mohn GmbH die entscheidenden Stimmanteile, denn das Kuratorium der Stiftung kann die Stimmrechte der Stiftung nicht ohne Zustimmung der BVG wahrnehmen. Das Kuratorium darf demnach Anteile an der AG nur mit Zustimmung der BVG verkaufen und nur, »wenn der Beschluss dem Geiste des Stifters und seinem Wunsch, dass Einheit und Selbstständigkeit des Unternehmens möglichst gewahrt und seine Entwicklung gefördert werden«, entspricht. Die Stiftung hat somit keinen eigenen, unabhängigen Willen. Das fällt jedoch in der Alltagsarbeit nicht weiter auf, weil die Personen an der Spitze der Stiftung weitgehend identisch sind mit den Personen, die in der BVG das Sagen haben.
Entscheidend ist immer die Stimme von Liz Mohn. Die Gesellschafterverträge und Satzungen besagen, dass sie sowohl in der BVG als auch im Aufsichtsrat jeweils die Interessen des Unternehmens zu verfolgen hat. Auch ihre Entscheidungen in der Stiftung sind demnach stets den Interessen des Unternehmens unterzuordnen und die BVG ist keinem gemeinnützigem Zweck, sondern auch nur den Interessen des Unternehmens verpflichtet. Die gemeinnützige Arbeit ist also stets von nachrangiger Bedeutung für die Stiftung. In erster Linie geht es um die Interessen des Unternehmens. Im Übrigen zählt nur der Wille von Liz Mohn.
Die Anteile der AG sind nicht in Stimm- oder Kapitalrechte aufgeteilt. Das bedeutet, dass die Bertelsmann Stiftung neben den Kapitalauch die Stimmrechte am Unternehmen besitzt. Deshalb brachte Mohn in der Gründungssatzung vorsorglich Bestimmungen für den Umgang mit diesen Rechten ein. Als er dann das Unternehmenskapital in die Stiftung einbrachte, schränkte er die Stimmrechte ein und übertrug sie der Vermögensverwaltung (heute BVG).
Der Vorstand der Stiftung benötigt somit für wichtige Entscheidungen die Zustimmung des Kuratoriums und das Kuratorium benötigt die Zustimmung der BVG. Die BVG benötigt die Zustimmung einer einzigen Person und die ist Liz Mohn. Dieses komplizierte, verschachtelte System mündet in einen einfachen Satz: Liz Mohn herrscht über allem und kann alles entscheiden.
Es ist etwas entstanden, das es eigentlich gar nicht geben dürfte: die gemeinnützige, steuerbegünstigte Familienstiftung. Dies ist ein Widerspruch in sich, denn es gibt eigentlich entweder gemeinnützige Stiftungen, die deshalb steuerbegünstigt sind, oder es gibt Familienstiftungen, die Einfluss und Vermögen einer Familie erhalten sollen und deshalb nicht steuerbegünstigt sind. Die Bertelsmann Stiftung ist gemeinnützig, aber sie wird von einer Familie beherrscht, die diesen Einfluss unter sich vererbt. Dabei hat gerade die Bertelsmann Stiftung viele Personen hervorgebracht, die in Gütersloh viel Erfahrung gesammelt haben und die die Stiftung nach den alten Grundsätzen von Reinhard Mohn führen könnten. Die Ehemaligen sind teilweise gegangen, weil sie die Änderungen nicht mittragen wollten. Liz und Brigitte Mohn haben Reinhard Mohn dazu gebracht, seine ursprüngliche Konstruktion zu korrigieren und die Herrschaft der Familie in der Stiftung durchzusetzen. Die Allgemeinheit finanziert der Familie Mohn Einfluss und Nähe zu den Mächtigen und sichert ihr bleibenden Einfluss in ihrem Unternehmen.
11. Angriff auf die Stiftung – Der Versuch einer Stiftungsreform
Am 1. Dezember 1997 veröffentlichte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Antje Vollmer, eine Gesetzesvorlage für eine Reform des Stiftungsrechts. Konservative Politiker in Bonn reagierten überrascht, wie sie sich erinnert. 1 Der damals zuständige CDU-Innenminister Manfred Kanther konnte mit dem Thema nicht viel anfangen. Lustlos habe er reagiert, erinnert sich Christoph Mecking, der damals als Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen die Beratung im Bundestag über Vollmers Gesetzesentwurf verfolgte. Bundeskanzler Helmut Kohl stand nicht auf der Rednerliste. Am Ende der Sitzung trat er dennoch ans Mikrofon und sagte sinngemäß, die Vorschläge Vollmers seien gut und er werde sie, wenn er wieder gewählt werde – wovon er ausgehe –
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